Neue EKD-Präses Schwaetzer zu Familienpapier und Lebensschutz

Verbindende Barmherzigkeit

Wechsel an der Spitze des evangelischen Kirchenparlaments: Irmgard Schwaetzer ist Nachfolgerin von Katrin Göring-Eckardt als Präses der EKD-Synode. Im domradio spricht sie unter anderem über das umstrittene Familienpapier.

Irmgard Schwaetzer (dpa)
Irmgard Schwaetzer / ( dpa )

domradio.de: Wie wollen Sie Ihr Amt in den nächsten Jahren angehen?

Schwaetzer: Es ist auf der letzten Synodentagung einiges deutlich geworden, nämlich dass auch innerhalb der Kirche in den Beziehungen zwischen Rat und Synode, vor allen Dingen in Fragen der Kommunikation, noch einiges vielleicht neu, vielleicht anders zu regeln ist. Das ist insofern in meinen Augen ein wichtiger Punkt als die drei Gremien der EKD, also der Rat, die Synode, die Kirchenkonferenz, wirklich sehr sehr eng zusammenwirken müssen, damit die evangelische Kirche in Deutschland das tun kann, wofür sie da ist: Nämlich das Evangelium zu verkünden und das mitten in der Gesellschaft.

domradio.de: Gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie sich hinter das umstrittene Familienpapier der EKD gestellt. Wie werden Sie die Gegner dieses Dokuments als Synoden-Präses in den Dialog integrieren?

Schwaetzer: Das Papier ist nicht zu Ende diskutiert. Das ist ja sehr deutlich geworden schon seit der Vorstellung. Der Rat hat jetzt die Kammer für Theologie beauftragt, da noch einmal eine Grundsatzdebatte zur theologischen Fundierung zu führen. Sobald dieses Papier vorliegt, muss natürlich auch die Synode genauso wie die gesamte Kirche, die Landeskirchen, die Gemeinden, sich noch einmal über dieses Papier beugen und das, was theologisch geboten erscheint, mit ihrer Lebenswirklichkeit vor Ort abgleichen und eine Entscheidung darüber treffen, wie sie damit umgehen und wie sie darauf eingehen. In der ganzen Diskussion auf dieser Synodentagung ist deutlich geworden, dass zumindest von einer ganz ganz breiten Mehrheit der Synodalen das Leitbild der Ehe nicht in Frage gestellt wird. Das kommt aber vielen in dieser Orientierungshilfe nicht ausreichend zum Ausdruck. Da muss nachgearbeitet werden.

Auf der anderen Seite habe ich aber auch nur ganz wenig Kritik daran gehört, dass sich die evangelische Kirche schon auch in einem Blickwinkel, der aus dem Vertrauen, dass innerhalb einer Lebensgemeinschaft herrscht, der Liebe, die Partner zueinander und zu ihren Kindern haben, aufbaut, dass dies ganz breite Unterstützung findet. Wir wissen zum Beispiel in Berlin hier, dass Alleinerziehende sich häufig scheuen, mit ihren Kindern zur Taufe zu kommen. Da sehe ich auf jeden Fall einen Mangel, denn mir ist es wichtig, dass sich auch diejenigen, die sich für ihr Leben auf einen anderen Weg begeben haben, sich in unserer Kirche willkommen fühlen, dass sie sich geborgen fühlen und das mit ihren Kindern.

domradio.de: In Ihre Amtszeit fallen die Vorbereitungen auf das Reformationsjubiläum 2017. Es gab jetzt den Vorschlag eines ökumenischen Bußgottesdienstes, in dem beide gespaltenen Konfessionen um Verzeihung bitten. Können Sie sich mit einer solchen Form des Gedenkens anfreunden?

Schwaetzer: Ich halte es auf jeden Fall für einen wichtigen Vorschlag, über den wir weiter nachdenken müssen. Letztlich wird sich nach meiner Einschätzung der Rat damit ja auch weiter beschäftigen. Ob es dann dazu kommt, hängt ein bisschen davon ab, wie beide Seiten aufeinander zugehen. Ich glaube, dass es wichtig sein könnte, 2017 ein Signal zu setzen. Ob das jetzt ein Bußgottesdienst oder ein Signal in einer anderen Form ist, dass sich die katholische und die evangelische Konfession stärker aufeinander zu bewegen, ob es dazu kommt, ist zum heutigen Zeitpunkt meiner Einschätzung nach nicht zu sagen. Wir sollten aber wirklich sehr ernsthafte Anstrengungen unternehmen, damit wir auch 2017 etwas gemeinsam mit unseren katholischen Geschwistern machen können.

domradio.de: Als Vorsitzende des Berliner Domkirchenkollegiums haben Sie dem Abschlussgottesdienst der Aktion „Marsch für das Leben", wo sich Menschen gegen Abtreibung einsetzen, im Berliner Dom eine Absage erteilt. Ist das Thema Lebensschutz nicht gerade auch eins, wo man gut in der Ökumene auf einen Nenner kommen könnte?

Schwaetzer: Sich nicht mit den Initiatoren des Marschs für das Leben auf eine Stufe zu stellen, bedeutet nicht, dass man nicht hoch engagiert für den Erhalt des Lebens und für den Lebensschutz kämpft, aber auf eine andere Art. Ich halte es da wirklich mit Papst Franziskus, der ja an dem Tag vorher in Rom noch darum gebeten hat, Barmherzigkeit zu zeigen, auch für die Frauen, die in einer schweren Notlage sich für eine Abtreibung entscheiden. Mit dieser Haltung kann ich mich sehr gut identifizieren.

(Anmerkung der Redaktion: Papst Franziskus unterstützte den "Marsch für das Leben" durch das Zentrum Berlins. In einem Brief aus dem Vatikan hatte er für den "tatkräftigen Einsatz"gedankt. Wörtlich heißt es laut Radio Vatikan in dem Schreiben: "Gerne verbindet sich Seine Heiligkeit mit den Teilnehmern am Marsch für das Leben im Gebet und bittet Gott, alle Bemühungen zur Förderung des uneingeschränkten Schutzes des menschlichen Lebens in allen seinen Phasen mit seinem Segen zu begleiten.")

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR