Es ist eine ernste Angelegenheit. Zumindest war es das für den heiligen Georg. Der Märtyrer aus dem 4. Jahrhundert soll sich, so berichtet die Legende, standhaft geweigert haben, von seinem christlichen Glauben abzuschwören. Deshalb soll der persische König Dadian den Foltertod des gefangenen Soldaten befohlen haben. Was dann folgt, ist nichts für schwache Nerven. "Ich sage jetzt laut 'gong', und dann können Sie sich die Ohren zuhalten", leitet Konrad Beikircher seine Lesung ein. "Der Glaubensheld wird in die Länge gezerrt, zerrissen, bis sich seine Eingeweide auf den Boden verteilen. Sein Kopf wird mit einem Hammer malträtiert, milchweißes Gehirn tritt aus", trägt der Kabarettist vor.
Was sich wie eine Szene aus einem Horrorfilm liest, stammt aus der Feder eines frühmittelalterlichen Mönchs. Der Brauchtumsforscher und Theologe Manfred Becker-Huberti hat mit dem Kabarettisten Beikircher die Legenden von ermordeten Heiligen wie Sebastian, Georg, Pankratius, Johannes den Täufer, Cäcilia, Barbara und Lucia erforscht. Am Dienstag stellten sie in Köln ihr Buch "Märtyrer. Der sicherste Weg zur Heiligkeit" vor. Becker-Huberti steuerte den wissenschaftlich-kritischen, Beikircher den humoristischen Blick bei.
Im ehrwürdigen Ambiente der Kirche Sankt Gereon setzt Beikircher seine blutige Schilderung des Leidens Georgs fort. In kochendes Wasser geworfen, sei der zerstückelte Leichnam mit Salz bestreut worden. "Georg wird wilden Tieren zum Fraße vorgeworfen, die ihn aber nicht fressen, sondern vor ihm ihren Nacken beugen - zum Zeichen der demütigen Unterwerfung", lässt der gebürtige Südtiroler den Text der Legende lebendig werden. Dann kommt seine eigene Interpretation: "Ist ja klar, warum die Tiere das nicht fressen wollten. Gepökeltes Fleisch, sowas schmeckt doch keinem Tier".
Beikircher verhehlt nicht die Freude, mit der er an dem Buch und dem dazugehörigen Hörbuch arbeitete, dessen Texte er gesprochen hat. "Es hat großen Spaß gemacht", verrät der Autor, den das Thema schon seit der Kindheit fasziniert hat. "In meiner Franziskanerschule haben uns die Mönche Geschichten vorgelesen. Sie wussten genau: Je blutrünstiger, desto mehr fasziniert das uns Jungs." Viele Legenden erinnerten ihn an sadomasochistische Vorlieben, sagt Beikircher.
"Früher haben sie das alles erleiden müssen, heute bezahlt man dafür."
Trotz der humoristischen Herangehensweise wollen die Autoren nicht das Martyrium der Heiligen herabwürdigen. Er habe ein ernstes Thema auf unterhaltsame Art zugänglich machen wollen, sagt Beikircher.
Becker-Huberti betont: "Es geht darum, zu hinterfragen, wie die vielen Merkwürdigkeiten in den Heiligenlegenden entstehen konnten, die die Geschilderten in einer Form überhöhen, die kaum mehr nachzuvollziehen ist." Das Buch konzentriert sich auf die Märtyrer der frühchristlichen Zeit, bis zum Toleranzedikt unter Konstantin 313. "Oft kannte man nicht viel mehr als den Namen, vielleicht noch das Todesjahr oder den Grabort", berichtet Becker-Huberti.
Ab dem fünften und sechsten Jahrhundert seien dann nachträglich die fantasievollen Lebens- und Sterbenslegenden entstanden. "Es gab damals regelrechte Legenden-Redaktionen", erklärt Becker-Huberti.
Denn "die Heldinnen und Helden der Legenden, nicht die realen Heldinnen und Helden, haben die Christen mit ihrem Todesmut beeindruckt". Das Buch eigne sich durchaus auch für fromme Gläubige.
Denken und Glauben ließen sich miteinander vereinbaren, so der Theologe, nur "darf der Glaube nicht das Denken töten und umgekehrt".
Zurück zu jenem Heiligen, der es Beikircher besonders angetan hat. Das Kapitel "Georg - ein Drachenkiller wird Mega-Star der Heiligen" ist eines der längsten in dem Buch. Georg wird geknetet, zerbrochen und zertreten. Dennoch erwacht er immer wieder zu neuem Leben.
Schließlich wird er enthauptet. Beikircher: "Wenn gar nichts mehr hilft, hilft nur noch das Schwert." Später, viel später, haben Christen Georg zum Drachentöter stilisiert, der eine Königstochter rettet. Doch das ist wieder eine andere Geschichte...