Der katholische Tübinger Theologe und Kirchenkritiker Hans Küng hat das neue Lehrschreiben von Papst Franziskus gewürdigt. "Mit der Kirchenreform geht es voran", schrieb Küng in einem Gastbeitrag für die "Passauer Neue Presse" (Samstag). Das Apostolische "Evangelii gaudium" (Die Freude des Evangeliums) wurde am vergangenen Dienstag veröffentlicht.
In dem Dokument verstärke Franziskus "seine Kritik am Kapitalismus und der Herrschaft des Geldes", lobte Küng. Zudem spreche er sich eindeutig für eine Kirchenreform "auf allen Ebenen" aus. So plädiere Franziskus für eine Dezentralisierung der Kirchenstrukturen "hin zu Bistümern und Gemeinden" und eine Reform des Papstamtes. Das Kirchenoberhaupt trete für eine Aufwertung der Laien und gegen ausufernden Klerikalismus ein sowie "für eine wirksamere weibliche Gegenwart in der Kirche, vor allem in Entscheidungsgremien". Ebenso deutlich engagiere sich der Papst für die Ökumene und den interreligiösen Dialog, besonders mit Judentum und Islam.
Zugleich kritisierte Küng jedoch eine "undifferenzierte Ablehnung der Abtreibung und der Frauenordination" in dem Apostolischen Schreiben. "Hier zeigen sich wohl dogmatische Grenzen dieses Papstes", meinte der emeritierte Professor für Ökumenische Theologie.
Kritik an Glaubenskongregation
"Oder steht er hier vielleicht unter dem Druck der Glaubenskongregation und ihres Präfekten, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller?", fragte der Tübinger Theologe. Er warf dem früheren Regensburger Bischof vor, bei Kirchenreformen zu "bremsen". Unter anderem führte er die laufende Debatte an, inwieweit geschiedene Katholiken nach einer erneuten Eheschließung zu den Sakramenten zugelassen werden sollen. Es sei keine Lösung, nur zu neuen pastoralen Bemühungen aufzurufen und großzügiger mit Eheannullierungen umzugehen, betonte der Theologe.
Der 85-jährige Küng ist einer der prominentesten Kirchenkritiker. Papst Johannes Paul II. hatte ihm 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen.