Eurosur soll die EU-Grenzen gegen illegale Migranten sichern

"Nur ein paar warme Worte für den Flüchtlingsschutz"

Heute tritt das neue europäische Grenzsicherungssystem EUROSUR in Kraft. Heiko Habbe vom Jesuitenflüchtlingsdienst kritisiert im domradio.de-Interview, dass dabei kaum an die Flüchtlinge gedacht wird.

In der Hoffnung auf ein besseres Leben (dpa)
In der Hoffnung auf ein besseres Leben / ( dpa )

domradio.de: Herr Habbe, Drohnen, Aufklärungsgeräte, Offshore-Sensoren, Satellitensuchsysteme, das alles gehört zu Eurosur und soll zum Einsatz kommen. Das klingt irgendwie ein bisschen wie Kriegsgerät.

Habbe: Das ist durchaus Kriegsgerät, das hier zum Einsatz kommt. Das sind auch Kriegsschiffe, die zum Einsatz kommen und es geht ja auch um eine Art Krieg. Es geht um die Bekämpfung der illegalen Migration. Die Tragik dabei ist, das insbesondere Flüchtlinge gefährdet sind und für sie gibt es keinen legalen Einreiseweg nach Europa. Ein Visum beantragen, um einen Asylantrag zu stellen, das geht schlicht nicht

domradio.de: Es soll ja nicht nur um Grenzsicherung gehen, es soll auch eben um die Eindämmung der Kriminalität gehen, wie Sie sagen. Um das Verhindern von Todesopfern. Das klingt ja erstmal gar nicht so schlecht.

Habbe: Das klingt auf den ersten Blick nicht schlecht, das Problem liegt für uns darin, dass hier schon zwei Dinge miteinander vermischt werden, nämlich einerseits der Begriff der Kriminalität, andererseits der Begriff des Flüchtlings, der über das Mittelmeer kommt. Es ist für uns wichtig zu betonen, dass Flüchtlinge keine Kriminellen sind, dass sie Menschen sind, die unseren Schutz brauchen und es ihnen sogar völkerrechtlich erlaubt ist, im Gegensatz zu allen anderen, wenn sie ohne Pass über eine Grenze kommen, dann darf man sie dafür nicht strafrechtlich belangen

domradio.de: Es soll ja auch darum gehen, heißt es bei Eurosur, die Wege der Schlepperbanden, die aus Afrika kommen, schon frühzeitig auszuspähen, damit sie gar nicht erst in die Nähe von zum Beispiel Lampedusa kommen, oder des europäischen Festlandes. Ist das denn kein gutes Mittel, schon frühzeitig an die Wege der Banden ranzugehen?

Habbe: Auch da habe ich Skepsis, denn es ist eigentlich nicht das Problem, dass man nicht wüsste, auf welchen Wegen Flüchtlinge nach Europa kommen. Das Problem ist, dass dann, wenn man weiß, da ist ein Boot in Seenot, dann gehen die Zuständigkeitsstreitigkeiten los. Wir erinnern uns noch, Anfang Oktober ist vor Lampedusa ein Boot verunglückt, sind viele Menschen gestorben. Was man nicht so sehr mitbekommen hat, ist, dass wenige Tage später noch ein Boot in Seenot geriet und da ist dann fünf Stunden lang nichts passiert, weil sich Italien und Malta um die Zuständigkeit gestritten haben. und am Ende waren 200 Leute tot. Das Problem ist nicht, dass man nicht wüsste, wo jeweils Boote kommen, auf welchen Wegen die sich bewegen. Das Problem an diesem System ist, dass man jetzt versucht, den Überblick zu bekommen, auch was außerhalb unserer Grenzen los ist, um dann Drittstaaten einzubinden. Staaten wie Libyen und Ägypten, und aus denen hören wir in letzter Zeit vermehrt Berichte, dass da auf abfahrende Flüchtlingsboote geschossen wird.

domradio.de: EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström sagte, Eurosur ist eine echte europäische Lösung, sie ermöglicht es, Migranten aus überfüllten, nicht-seetüchtigen Booten zu retten. Wie kann das dann gehen, wenn ich Sie richtig verstehe?

Habbe: Das möchte ich auch wissen. Wir haben uns ganz früh dafür eingesetzt, dass hier eine starke Verpflichtung zur Seenotrettung zum Beispiel in die entsprechende Verordnung aufgenommen wird. Wenn man sie jetzt durchliest, dann gibt es eine Formulierung, die an zwei Stellen sich wiederholt. Im Endeffekt muss man sagen, es geht hier um 250 Millionen für Überwachungstechnik und für den Flüchtlingsschutz gibt es ein paar warme Worte.

domradio.de: Das Programm soll nach Kritikermeinung bis zu einer Milliarde kosten. Wie könnte man dieses Geld denn weitaus effektiver einsetzen als mit Eurosur?

Habbe: Nun, im Grunde müssen wir den Zugang nach Europa für Flüchtlinge offenhalten. Wir müssen legale und sichere Einreisewege schaffen. Wir müssen drüber nachdenken, ob man hier vielleicht humanitäre Visa oder ähnliches schaffen kann. Und dann muss man real Flüchtlinge in Seenot helfen, das heißt, man muss dafür sorgen, dass die Staaten genau wissen, wir sind verpflichtet zu retten. Wir müssen da auch ein Schiff hin schicken. Und dafür möge man dann sein Geld auch ausgeben. Letztlich darf Europa insbesondere keine Verantwortung auslagern auf Staaten, in denen Flüchtlinge keinen Schutz finden und in denen Flüchtlinge sogar beschossen werden.


In der Hoffnung auf ein besseres Leben (dpa)
In der Hoffnung auf ein besseres Leben / ( dpa )
Quelle:
DR