In einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" schreibt Kardinal Marx, Franziskus wolle daran erinnern, dass die Wirtschaft dem Gemeinwohl zu dienen habe und nicht umgekehrt. Weltweit gebe es eine Trend zur Ökonomisierung aller Lebensbereiche, die den Rhythmus der Gesellschaft von den Verwertungsinteressen des Kapitals abhängig mache, so Marx. "Genau das kritisiert der Papst zu recht."
Marx äußerte sich zu der Debatte über das unlängst veröffentlichte Lehrschreiben "Evangelii Gaudium". Kritiker werfen dem Papst eine einseitige Sicht auf den Kapitalismus vor. Die Kirche biete zudem keine neuen Lösungen im Kampf gegen die Armut und schüre stattdessen Vorurteile gegenüber den Reichen. Dieser Vorwurf sei falsch, schreibt Marx. Die Kirche erinnere lediglich daran, "dass die materiellen Güter Mittel zum Zweck sind, nicht der Sinn unseres Lebens".
Blick für die Einzelschicksale
Ein ungezügelter Kapitalismus dürfe auch deswegen nicht zum Gesellschaftsmodell werden, weil er "keinen Blick für die Einzelschicksale, die Schwachen und die Armen" habe, betont Marx.
Umso wichtiger sei es, dass die Kirche ihren Platz bei den Armen suche. Nicht, um deren Status festzuschreiben, sondern um nach Wegen für eine neue Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu suchen. "Wir sehen die Welt nicht richtig, wenn wir nicht versuchen, sie mit den Augen der Armen zu sehen", so der Kardinal.
Zugleich verteidigte Marx Stellungnahmen der Kirche zu Fragen von Politik und Gesellschaft. "Sie muss sich mit ihren Argumenten und Ansichten der öffentlichen Auseinandersetzung stellen, aber sie darf sich nicht aus Angst vor dem rauhen Wind der Kritik und des Widerspruchs in eine religiöse Sonderwelt zurückziehen." Dabei vermisse er mitunter allerdings die Stimmen von Christen, die sich in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft engagierten, schreibt Marx. "Wo sind die politischen Parteien, auch gerade die, die sich vom christlichen Menschenbild her verstehen, die das aufgreifen und weltweit in die Debatte einbringen?"