Politiker zu Armutszuwanderung aus Bulgarien und Rumänien

Hilfe statt Panikmache

Von Januar an haben Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien die gleichen Rechte auf dem deutschen Arbeitsmarkt wie alle EU-Bürger. Die Zahl der Zuwanderer könnte steigen. Sozialverbände warnen vor Panikmache.

Kritik an den Arbeitsbedingungen (dpa)
Kritik an den Arbeitsbedingungen / ( dpa )

Wenige Tage vor der vollständigen Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für Bulgaren und Rumänen warnen Politiker und Verbände vor populistischer Stimmungsmache gegen Zuwanderer aus Südosteuropa. Der Bundestagsabgeordnete und Sozialexperte der Grünen, Markus Kurth, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin, den Städten, in denen sich besonders viele Armutszuwanderer niederlassen, müsse geholfen werden.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte die Europäische Union auf, Druck auf Bulgarien und Rumänien auszuüben, damit sich dort die Lebensbedingungen verbessern. Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil und die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peters, warnten vor Alarmismus. Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, erklärte, es würden "Horrorvisionen gezeichnet, die nichts mit der Realität zu tun haben".

CSU will härteren Kurs gegen Armutsmigranten

Die CSU hatte zuvor einen schärferen Kurs gegen Armutszuwanderer aus EU-Staaten verlangt. So soll ihnen der Zugang zum deutschen Sozialsystem erschwert werden, heißt es in der Beschlussvorlage für die Fraktionsklausur der CSU-Landesgruppe Anfang Januar in Wildbad Kreuth. Das Papier liegt der Nachrichtenagentur dpa vor. Zuvor hatte die «Süddeutsche Zeitung» (Samstag) darüber berichtet.

Nach der CSU-Vorlage ist eine generelle Aussetzung des Bezugs von Sozialleistungen für die ersten drei Monate des Aufenthalts zu prüfen. Außerdem soll härter gegen Sozialbetrüger vorgegangen werden. So müsse es nicht nur eine Möglichkeit zur Ausweisung der Person, sondern auch zur Verhinderung einer Wiedereinreise geben. "Wer betrügt, der fliegt", heißt es in der Vorlage, die auf der traditionellen CSU-Landesgruppen-Klausur vom 7. bis 9. Januar beraten werden soll.

Die von der CSU angestrebten Maßnahmen bewegen sich schon jetzt im Rahmen der EU-Regeln. So ist ein Gastgeberland nicht verpflichtet, innerhalb der ersten drei Monate des Aufenthalts Sozialleistungen zu gewähren. Auch eine Wiedereinreisesperre ist möglich.

In dem CSU-Papier heißt es dazu: "Der fortgesetzte Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung gefährdet nicht nur die Akzeptanz der Freizügigkeit bei den Bürgern, sondern bringt auch Kommunen an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit." Es gelte daher, falsche Anreize zur Zuwanderung zu verringern und auf nationaler wie europäischer Ebene Lösungen zu erreichen.

Grüne: Mehr Unterstützung für Städte

Der Grünen-Politiker Kurth sagte dem epd, die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die vom 1. Januar auch für Bulgaren und Rumänen gilt, sei ein Kernbestandteil der EU, ebenso wie der uneingeschränkte Handel. Es müsse aber eine Verständigung darüber erzielt werden, unter welchen Bedingungen Arbeitnehmer aus Bulgarien und Rumänien Anspruch auf Sozialleistungen in Deutschland erhalten. Der gegenwärtige automatische Ausschluss von Zuwanderern ohne Job von den Hartz-IV-Leistungen in Deutschland sei mit europäischem Recht nicht vereinbar.

Kurth sagte weiter, Städte mit besonders vielen Armutsflüchtlingen bräuchten Geld und Unterstützung für die zusätzlichen Herausforderungen, etwa im Wege eines Bund-Länder-Fonds. Die Grünen-Vorsitzende Peter erklärte: "Wer vor der 'Einwanderung in die Sozialsysteme' warnt, bedient in erster Linie fremdenfeindliche Ressentiments, die rechte Parteien und Gruppen für ihre Zwecke nutzen."

Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte im WDR-Radio, die Kommunen seien nicht in der Lage, das Problem der Armutszuwanderung in Europa zu lösen. Die Kosten seien zu hoch, die Zuwanderer schwer zu erreichen. Viele seien in ihrer Heimat diskriminiert worden.

Der SPD-Wirtschafts-Experte Heil sagte im Deutschlandfunk, Union und SPD hätten im Koalitionsvertrag vereinbart, die betroffenen Städte zu unterstützen. Heil räumte ein, dass mit mehr Armutseinwanderern zu rechnen sei, da die wirtschaftliche Situation in Bulgarien und Rumänien deutlich schlechter sei als etwa in Polen. Wichtig sei, dass "diese Form von Armutszuwanderung nicht zur Lohndrückerei in Deutschland führt".

Herausforderung für den neuen Innenminister

Der Zentralratsvorsitzende Rose betonte im Radiosender SWR2, die Armutszuwanderer aus Rumänien und Bulgarien seien keineswegs nur Roma. Entscheidend sei das Armutsgefälle zwischen West- und Osteuropa. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) müsse sich ein realistisches Bild verschaffen: "Ich erwarte von unserem neuen Innenminister und von der Bundesregierung, dass sie mal sich die Situation in den osteuropäischen Staaten anguckt wie Rumänien, Bulgarien, Tschechien, Slowakei. Und dass Druck ausgeübt wird, dass diese Menschen wieder ein normaler Bestandteil ihrer Gesellschaften werden", sagte Rose.

Prognose von Arbeitsmarktforschern

Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) rechnet damit, dass die Zahl der Rumänen und Bulgaren in Deutschland im kommenden Jahr um 100.000 bis 180.000 steigen könnte. Derzeit leben in Deutschland gut 370 000 Bürger aus beiden Staaten. Die beiden Länder rangieren bei den Durchschnittslöhnen in der EU auf den letzten beiden Plätzen.

Die Forscher der Bundesagentur für Arbeit halten in ihrem Bericht aber auch fest: "Die Zahlen zur Beschäftigung und zum Leistungsbezug rechtfertigen es gegenwärtig nicht, die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien pauschal als "Armutszuwanderung" zu qualifizieren." Die Probleme konzentrierten sich auf einige strukturschwache Kommunen wie Duisburg, Dortmund und Berlin. Seit langem weisen diese Kommunen auf eine drohende Überforderung durch zusätzliche Sozialleistungen hin.

Der Direktor des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, Reiner Klingholz, verwies in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" darauf, dass die bereits in Deutschland lebenden Zuwanderer mit bulgarischem und rumänischem Hintergrund zu 55 Prozent über mindestens einen Fachhochschulabschluss verfügten. "Damit liegen sie nicht nur deutlich über dem Schnitt aller Migranten, sondern auch über jenem der Deutschen." Der Migrationsforscher Klaus F. Zimmermann weist in einer Studie darauf hin, dass Rumänen und Bulgaren schon jetzt zu den besonders gut integrierten Ausländergruppen zählen.

Laut IAB-Studie waren Mitte 2013 rund 10 Prozent aller Bulgaren und Rumänen in Deutschland auf Hartz-IV-Bezug angewiesen. Der Wert liegt zwar über der Quote der Gesamtbevölkerung (7,5 Prozent), aber deutlich unter der aller Ausländer (15 Prozent).

 

 

 


Quelle:
dpa , epd