Erzbischof Gerhard Ludwig Müller wird Kardinal

Nicht nur Ratzingers Erbe

Papst Franziskus will den Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, Erzbischof Gerhard Ludwig Müller in den Kardinalsstand erheben. Bis zuletzt war über diese Entscheidung spekuliert worden. Die Hintergründe.

Autor/in:
Christoph Renzikowski
Papst Franziskus und Erzbischof Müller (dpa)
Papst Franziskus und Erzbischof Müller / ( dpa )

Unter den neuen Kardinälen, deren baldige Ernennung Papst Franziskus am Sonntag bekanntgab, ist auch ein Deutscher. Das ist zunächst wenig überraschend, denn bisher zählte der Leiter der vatikanischen Glaubenskongregation stets zu den Purpurträgern. Dennoch wurde mit Spannung erwartet, ob Erzbischof Gerhard Ludwig Müller in den exklusiven Kreis der künftigen Papstwähler aufgenommen würde. Manche Beobachter verbanden damit nichts weniger als eine Richtungsentscheidung.

Vor wenigen Wochen hatten einige Medien in Müller noch den "hartnäckigsten Gegenspieler" des Papstes ausgemacht. Der Betroffene tat dies umgehend als Ausgeburt einer "schlechten Fantasie" ab. Gegen diese Sichtweise sprach zudem, dass Franziskus den 66-jährigen gebürtigen Mainzer als einen der ersten leitenden Kurienmitarbeiter im vergangenen September in dem Amt bestätigte, das ihm 2012 noch von Benedikt XVI. übergeben worden war. Andere vertraute Weggefährten Benedikts mussten dagegen ihren Hut nehmen, etwa Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone.

Internationale wissenschaftliche Reputation als Theologe

In der Wahrnehmung von Müller und seiner Rolle vor allem in Deutschland wiederholt sich einiges von dem, was schon Joseph Ratzinger widerfahren war. Manches verbindet die Biografien der beiden Kirchenmänner. So erwarben sich beide vor ihrer Berufung nach Rom internationale wissenschaftliche Reputation als Theologen. Müller war zuvor zehn Jahre Bischof in Regensburg, Ratzingers letzter Station als akademischer Lehrer. Nach seiner Wahl zum Papst vertraute Benedikt XVI. Müller die Herausgabe seiner gesammelten theologischen Schriften an.

Als eine Konstante erweisen sich auch Auseinandersetzungen mit den deutschen Bischöfen. Bei Ratzinger ging es um die Schwangerschaftskonfliktberatung, aber auch um den Kommunionempfang wiederverheirateter Geschiedener, den damals einige südwestdeutsche Bischöfe ermöglichen wollten. Ratzinger gab in beiden Bereichen keinen Millimeter nach. Im Beratungsstreit setzte er schließlich mit Papst Johannes Paul II. nach jahrelangem Streit den Ausstieg der katholischen Kirche in Deutschland aus der gesetzlichen Pflichtberatung mit Scheinausstellung durch.

Debatte um Ausschluss Wiederverheirateter von den Sakramenten

Der Konflikt um das zweite Thema schwelt noch. Müller hat es von Ratzinger "geerbt", und seit abermals aus dem Südwesten ein erneuter Vorstoß vorliegt, hat er sich wieder verschärft. Bisher ist der Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch einer Aufforderung Müllers nicht nachgekommen, das diözesane Seelsorgepapier zurückzuziehen, das Ausnahmen vom Ausschluss Wiederverheirateter von den Sakramenten beschreibt.

Zollitsch hat sich inzwischen bei einigen deutschen Bischöfen und auch an der Kurie Rückendeckung für sein Vorgehen geholt. Durch aktuelle Umfragen kann er sich zusätzlich bestärkt fühlen. Letztlich werden die Weltbischofssynode im Herbst und der Papst über eine Lösung des Problems befinden.

Müller ist aber nicht nur Ratzingers Nachlassverwalter. In einigen theologischen und kirchenpolitischen Feldern hat er sich eigenständig positioniert. Gegenüber den ultrakonservativen Piusbrüdern, die Benedikt XVI. durch Zugeständnisse zurückzugewinnen hoffte, plädierte der Erzbischof auch öffentlich frühzeitig für eine härtere Gangart.

Sympathisant der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung

An der deutschen Kirchensteuer will Müller nicht rütteln - und er ist ein erklärter Sympathisant der lateinamerikanischen Theologie der Befreiung, wenn auch eher ihrer gemäßigten Variante. Doch das genügte schon, um ihm in Rom und auch in konservativen südamerikanischen Kirchenkreisen das Etikett eines Linken einzutragen.

Hartnäckig haftet Müller zudem das Image eines verbissenen, humorlosen Zeitgenossen an. Dabei kann er sehr witzig sein. Als der Sohn eines Fließbandarbeiters bei Opel einmal gefragt wurde, wie er sein Amt als "Kettenhund des Papstes" versehen wolle, antwortete Müller, er wolle "weder Kette noch Hund" sein.


Quelle:
KNA