Drei Wochen vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Sotschi haben Menschenrechtler dem Gastgeber Russland zunehmenden Druck auf Kritiker des Ringe-Spektakels vorgeworfen. Bürgerrechtler, Umweltschützer und Journalisten, die Missstände aufdecken wollten, würden immer wieder von Sicherheitskräften bedrängt, kritisierte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) am Mittwoch in Moskau. Es gebe Festnahmen von Aktivisten sowie Verhöre und Hausbesuche von Polizeibeamten. Je näher die Eröffnungsfeier am 7. Februar in dem Schwarzmeerkurort rücke, desto stärker versuchten die Behörden, kritische Informationen zu unterdrücken, hieß es.
Menschenrechtler appellieren an Olympisches Komitee
"Die russische Regierung ist vor Olympia in Sotschi zurecht besorgt wegen der Terrorgefahr (...) und hat voll und ganz die Pflicht, die Sicherheit der Spiele zu gewährleisten", sagte HRW-Expertin Jane Buchanan. "Aber sie kann Sicherheitsinteressen nicht als Vorwand benutzen, um Kritiker zu bedrängen und einzuschüchtern."
Die Organisation listete mehrere von Polizeieinsätzen Betroffene namentlich auf, darunter den unlängst zu drei Jahren Haft verurteilten Umweltaktivisten Jewgeni Witischko. Buchanan warf dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) vor, sich zu wenig um das Recht auf freie Meinungsäußerung zu kümmern. "Die Olympische Charta fordert von der olympischen Bewegung, die Menschenwürde zu achten, aber die Spiele in Sotschi finden stattdessen in einer Atmosphäre der Angst und Einschüchterung statt", sagte Buchanan.
HRW kritisierte auch die von Kremlchef Wladimir Putin zuletzt genehmigte "Protest-Zone" in einem kleinen Dorf rund 15 Kilometer vom Olympiapark entfernt. Demonstranten hätten dort kaum die Möglichkeit, gehört zu werden. Zudem müsse jeder Protest von den Behörden - einschließlich des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB - genehmigt werden. "Die Art der Einschränkung für Demonstrationen ist überzogen und kann in keiner Weise mit Sicherheitsinteressen begründet werden", hieß es in der HRW-Mitteilung.
Terroristen aus dem russischen Konfliktgebiet Nordkaukasus hatten mit Anschlägen gedroht, um die Spiele zu verhindern. Zuletzt starben in der russischen Stadt Wolgograd bei zwei Terroranschlägen an zwei Tagen in Folge mehr als 30 Menschen. Die ersten russischen Winterspiele unter Palmen im Schwarzmeerort Sotschi gelten mit Kosten von mehr als 37,5 Milliarden Euro als die teuersten der Geschichte.