Bischof Koch fordert aktivere Familienpastoral

"Es ist nicht leicht, Ehe zu leben"

Kirche und Gesellschaft müssten jungen Menschen Mut machen, sich auf den Weg zu Ehe und Familie zu begeben. Das betont Bischof Heiner Koch zum Familiensonntag. Er ist Mitglied der Familienkommission der Bischofskonferenz.

Das Modell Ehe (dpa)
Das Modell Ehe / ( dpa )

KNA: Bischof Koch, die Arbeitshilfe der Bischofskonferenz zum Familiensonntag trägt den Titel "Drahtseilakt Ehe". Was macht denn diesen Drahtseilakt aus?

Koch: Jedes Ehepaar geht gemeinsam auf einem Drahtseil durchs Leben. Es muss Schritt für Schritt vorwärts gehen, sich immer wieder neu ausjonglieren. Das betrifft die Beziehung zueinander und zu den Kindern. Es ist nicht leicht, Ehe zu leben. Man muss es immer wieder neu angehen und immer wieder zusammenfinden.

Außerdem ist die Ehe derzeit in der Diskussion, gesellschaftlich und auch kirchlich. Was sie für die Menschen früher bedeutet hat, war relativ selbstverständlich, wenn es auch manchmal nicht reflektiert war. Heute ist sie für viele fragwürdig. Als ich Studentenpfarrer war, haben Studenten mich gefragt: Können Sie mir mal sagen, warum wir heiraten sollen? Das hat zunächst nichts mit Moral zu tun, vielmehr ist eine Institution fragwürdig geworden.

KNA: Der Begriff "Ehe" und ihre Bedeutung haben sich ja auch gewandelt ...

Koch: Ja, unter den drei Buchstaben verstehen inzwischen viele Menschen etwas völlig anderes als früher. Die Ehe als lebenslanges Bündnis zweier Menschen ist längst nicht mehr selbstverständlich.

KNA: Was bedeutet das für die Kirche?

Koch: Die Situation stellt eine große Herausforderung dar. Für uns Katholiken ist die Ehe ein Sakrament. Das heißt, ein Ort der verbindlichen Nähe Gottes. Wie können wir das, was das Sakrament der Ehe meint, den Menschen heute verdeutlichen? Wie können wir es in die Katechese bringen, schon in der Jugendarbeit, in der Schule? Wir müssen vermitteln, dass auch die Ehe eine Berufung ist. Dass sie eine Riesenherausforderung und eine Chance ist, auch ein Weg zum Glück.

Ich bedaure sehr, dass die ganze Diskussion um die Ehe sich oft nur beschäftigt mit Fragen des Scheiterns oder der Sexualmoral. Das eigentliche Anliegen des Sakraments der Ehe, die Weite des Lebens zu leben und zu schenken, geht dabei verloren.

KNA: Wo brauchen Familien heutzutage die meiste Unterstützung?

Koch: Für viele Familien bedeutet gerade das Leben mit Kindern ein Leben in Armut. Das Thema Kinderarmut ist gravierend, auch bei uns in Deutschland. Viele Alleinerziehende brauchen oft eine besondere Hilfe, ebenso kinderreiche Familien und Familien, in denen behinderte Menschen leben.

Eine weitere Baustelle ist die Bildungsgerechtigkeit. Zudem investiert die Gesellschaft viel zu wenig dafür, junge Menschen zu befähigen, ihre Verantwortung als Eltern wahrzunehmen und Ehe und Familie zu leben. Vor allem aber müssten wir in Kirche und Gesellschaft jungen Menschen Mut machen, sich auf den Weg zu Ehe und Familie zu machen. Bedenkenträger gibt es genug.

KNA: Was bedeutet das für die kirchliche Pastoral?

Koch: Ich glaube, dass wir eine klare Botschaft über die Ehe brauchen. Diese darf nicht in erster Linie eine Frage der Ge- und Verbote sein, sondern muss eine frohe Botschaft sein. Als Eheleute zu leben, ist eine geistliche Berufung. Das muss unsere Verkündigung stärker in den Blick nehmen. Es ist mir auch wichtig, dass Kirche nicht vergisst, dass Ehe mehr ist als Vater, Mutter und zwei Kinder.

Zur Familie gehören auch die alten Menschen der Familie, Großeltern und andere Familienangehörige. Zum Familienleben gehören auch Krankheit und Sterben. Zur christlichen Familie gehören aber auch die Menschen außerhalb der leiblichen Familie, die in unserer Umgebung in Not leben. Christliche Familie ist keine Insel.

Außerdem stehen wir in der Verantwortung, den Menschen zu helfen, deren Ehe sich schwierig gestaltet. Es kann und darf nicht sein, dass wir den Eindruck vermitteln, dass wir uns nur um die kümmern, deren Ehe glückt. Menschen mit gescheiterter Ehe gehören auch zu uns und bleiben in der Kirche.

KNA: Es scheint aber kirchlich schwierig zu sein, da einen Weg zu finden...

Koch: Wir müssen da zu neuen theologischen Ansätzen kommen. Alle bisherigen Vorschläge sind irgendwie pragmatisch. Das scheint mir aber deutlich zu kurz zu greifen. Ich glaube, dass wir eine theologische Reflexion des Sakramentenbegriffs brauchen, um ehrlich und seelsorglich helfend weiterzukommen.

KNA: Wie bewerten Sie für Deutschland die Ergebnisse der großen Familien-Umfrage des Vatikans? Kirchliche Normen und gelebter Alltag scheinen weit auseinanderzugehen ...

Koch: Es sind keine gravierend neuen Fakten auf den Tisch gekommen, weder positiv noch negativ. Es zeigt sich aber schlicht und ergreifend, dass immer weniger junge Menschen wissen, was eine christliche Ehe und was ein Sakrament ist. Das christliche Eheprojekt ist in der heutigen Gesellschaft etwas "Alternatives". Wir als Kirche sind gefordert, es zu proklamieren und lebbar zu machen. Als deutsche Kirche stehen wir auch in der Verantwortung, bei den Beratungen im Vatikan zum Thema Familie die deutsche Situation qualifiziert zur Sprache zu bringen.

KNA: Welche Erwartungen haben Sie an die Familienpolitik der neuen Bundesregierung?

Koch: Wir sind als katholische Kirche mit dem Koalitionsvertrag nur bedingt zufrieden. Positiv ist die Mütterrente für Frauen, die vor 1992 ihre Kinder bekommen haben. Gut sind auch die Ansätze im Bereich der Pflegeversicherung - das ist auch elementar für Familien.

Enttäuschend ist aber, dass sich beim Familienlastenausgleich nichts Wesentliches getan hat. Ich habe immer noch den Verdacht, dass die Familienpolitik in vielen Punkten eine Frage des Wirtschaftsressorts geblieben ist.

Das Interview führte Karin Wollschläger


Bischof Koch will den Glauben von Thüringen bis nach Zittau verständlich machen (dpa)
Bischof Koch will den Glauben von Thüringen bis nach Zittau verständlich machen / ( dpa )
Quelle:
KNA