domradio.de: Auf welche Akzente , Reformen hoffen Sie für das neue Jahr?
Thomas Nickel: Es wäre zu flach, wenn ich sagen würde wiederverheiratet Geschiedene. Das sind die Dauerthemen, die in jedem Dialogprozess kommen. Ich glaube, wir brauchen eine strahlende Kirche! Das Evangelium muss für uns mehr bedeuten als dass es nur sonntags verkündet wird. Ich sage ja oft: Gott ist bei allen Menschen bereits - bloß sie haben ihn nicht erkannt. Wir müssen ihn deutlich werden lassen! Das heißt auch, wir als Katholiken, als Laien sage ich jetzt bewusst, dürfen nicht auf der Tribüne sitzen und nur klatschen und Hurra schreien. Wir müssen Mitwirkende sein, wir müssen aufs Spielfeld und dort auch Mitmachen.
Wir sind das Volk Gottes und müssen auch viel mehr lebendig teilnehmen. Sie sind zu oft zurückhaltend, sie sind eher die, die kritisieren oder jubeln. Aber warum machen wir nicht mit? Warum sind wir nicht Akteure? Ich glaube, das will Franziskus von uns und das will er auch von seinen Bischöfen, von seinen Priestern. Wenn er sagt: Geht in die Gesellschaft, geht an den Rand! Dann ist das mit Sicherheit auch hier für manchen Bischof in Deutschland oder Europa erstmal "Huh, was will er denn von mir?" Es ist eine andere Sichtweise und jeder muss nach seinen Kompetenzen jetzt auch etwas einbringen, nach seinen Fähigkeiten, Charismen. Alles ist gefragt, ich glaube, das ist der Neuanfang. Wir haben eine Chance, das, was bisher anders war, nochmal zu reflektieren und neu Ansätze suchen.
domradio.de: Das können wir auch auf unser Bistum beziehen. Das Rücktrittsgesuch von Kardinal Meisner wird wahrscheinlich in den nächsten Wochen von Papst Franziskus angenommen. Erwarten Sie, dass der neue Erzbischof diese Botschaft des Mitwirkens wieder stärker zu den Menschen tragen kann?
Nickel: Ja, sicher. Das ist notwendig. Wir haben ja auch in Köln den Dialog geführt und wir haben so viel gesammelt an Fragen, die auf Antworten warten. Wir haben sehr viele Impulse bekommen, die es gilt umzusetzen und das muss auch der Bischof machen und ich will gar nicht sagen, dass Kardinal Meisner nicht der Bischof war, mit dem man vieles machen konnte. Ja, wir waren manchmal überrascht, was wir mit ihm gemacht haben. Er war aber sehr fromm und so habe ich ihn die ganzen 25 Jahre erlebt. Ein neuer Bischof hat die Chance andere Akzente zu setzen, ein neuer Bischof hat Chancen auch Dinge, die anstehen jetzt umzusetzen, in der Pastoral, in den Gemeinden. Ich glaube, das viele auch darauf warten. Und unser Kardinal erlebt ja auch, dass wir schon parallel arbeiten. Es wird überall an neuen Entwicklungen gearbeitet und das ist auch notwendig und da hoffe ich, dass der neue Bischof, der dann hoffentlich auch bald eingeführt werden kann, auch seine Akzente dazu setzt und uns im Sinne von Papst Franziskus auch hier flankierende Zeichen setzt, die wir dann füllen müssen.
domradio.de: Sie haben etwas mit Kardinal Meisner gleich, Sie gehen auch in den wohlverdienten Ruhestand. Sie haben 28 Jahre dieses Amt des Vorsitzenden dann erfüllt. Wie würden Sie ihre 25-jährige Zusammenarbeit mit Kardinal Meisner beschreiben?
Nickel: Das war eine fruchtbare Zeit, weil wir beide voneinander auch Dinge annehmen mussten. Sie war nicht immer spannungsfrei. Es gab Dinge, wo er gesagt hat: Das kann der Diözesanrat - das darf er nicht. Es gab auch Situationen, wo er sagte, wenn der Referent kommt, dann komme ich nicht. Es galt oft Brücken zu bauen zwischen den unterschiedlichen Ansätzen. Wir haben uns in den 25 Jahren respektiert, sogar schätzen gelernt. Wir haben uns regelmäßig getroffen und haben dann die Punkte auch vertrauensvoll ausgetauscht und auch vieles gesagt, was immer zwischen uns beiden nur bleibt und ich glaube, das war eine gute Zeit - und ich bin ja länger im Amt. Ich durfte ihn damals begrüßen. Er kam von Berlin. Mein Berliner Kollege hatte mir gesagt, naja, ob Du da als Rheinländer mit zu Recht kommst. Ja, wir sind zu Recht gekommen. Der Kardinal hat gelernt, dass man hier im Rheinland beim Tischgebet auch mal mittags sitzen bleiben darf. Er hat vieles angenommen, er hat die Leichtigkeit des Rheinländers vielleicht am Anfang nicht so verstanden und er hat gemerkt, dass unsere Aussage " Et hätt noch emmer joot jejange" tatsächlich auch die Kirche betrifft und das Schöne hier im Rheinland ist, dass das Rheinland auf die Kirche nichts kommen lässt. Das hat er auch gemerkt. Er ist auch zu den Karnevalisten zuletzt gegangen. All das hat er gelernt und ich glaube, er hat auch gelernt mit dem Diözesanrat vertrauensvoll fair in der Kölner Kirche das Laienapostolat umzusetzen.
Das Interview führte Stephan Baur