Der Verweis auf Gott sei eine Chiffre dafür, dass der Mensch nicht alles darf und an kommende Generationen denken müsse, , sagte der für das Bundesland zuständige Erzbischof den "Lübecker Nachrichten" (Dienstag). Es gehe nicht um die Kirche, sondern um die Menschen, so Thissen. "Die Kirche hat keinen Vorteil davon, dass Gott in der Präambel steht."
"Nie wieder dürfen Menschen Gott spielen"
Der Gottesbezug verweise darauf, dass es nicht um die Schaffung eines perfekten Gemeinwesens gehe, erläuterte Thissen. Mit den beiden Ideologien Kommunismus und Nationalsozialismus, die das hätten erreichen wollen, habe Deutschland bittere Erfahrungen gemacht. Der Gottesbezug bringe zum Ausdruck, dass in der Demokratie der Ort der höchsten Macht frei bleibe. "Nie wieder dürfen Menschen Gott spielen. Für die Macht über die existenziellen Fragen von Tod und Leben, Sinn und Wert, Gut und Böse gibt es eine andere Instanz", sagte der Erzbischof.
Bislang gibt es keine Präambel mit Gottesbezug
Die neue Landesverfassung soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Eine Zweidrittelmehrheit für den Gottesbezug ist nach Meinung von Beobachtern unwahrscheinlich. Ziel der 2013 beschlossenen Verfassungsreform ist es unter anderem, eine Präambel und einen Grundrechtekatalog einzuführen sowie die unmittelbaren demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten zu stärken.
Thissen sieht in seiner Forderung keine Vereinnahmung von Anhängern anderer Religionen oder von Atheisten. Der Gottesbezug sage ja gerade, dass es "keine Diktatur der Mehrheit" geben dürfe. Zudem sei die vorgeschlagene Formulierung "in Verantwortung vor Gott" bereits ein Kompromiss. Unter ihm könnten sich Gläubige verschiedener Religionen versammeln.
Beistand von Muslimen
Zustimmung erhielt Thissen vom Vorsitzenden der islamischen Religionsgemeinschaft Schura, Fatih Mutlu. "Es gibt nur einen Gott", sagte er der Zeitung. An den würden 70 bis 80 Prozent der Menschen im Land glauben. Die christliche Bezeichnung "Gott" störe ihn nicht. "Wir leben ja in einem christlichen Land."
Der Kirchenexperte der CDU im Kieler Landtag, Daniel Günther, begrüßte die Aussage Mutlus. Das werde der Debatte sicher helfen, sagte er am Dienstag in Kiel. Er selbst verstehe den Gottesbezug weder als Abgrenzung zu anderen Religionen noch als ausschließliche Betonung der christlich-jüdischen Wurzeln. Eine Trennung von Staat und Kirche stehe einem Gottesbezug in der Landesverfassung keinesfalls entgegen. "Diese Trennung bedeutet schließlich keine Bindungslosigkeit der gewählten Vertreter, die unserem Land diese Verfassung geben", so Günther.