Sportbischof Peters über Sotchi 2014

Die zwei Seiten der Medaillen

Sotschi 2014: Sportliche Höchstleistungen und anhaltende Berichte über Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Geldverschwendung. Der Sportbischof der Bischofskonferenz, Weihbischof Jörg Michael Peters, zieht Halbzeitbilanz.

Sotschi 2014 (dpa)
Sotschi 2014 / ( dpa )

domradio.de: IOC-Präsident Thomas Bach zieht ein sehr positives Fazit und spricht von hervorragenden Spielen. Stimmen Sie dem zu?

Weihbischof Peters: Was den Verlauf der Spiele angeht, kann ich ihm zustimmen. Allerdings darf die Hochstimmung der sportlichen Wettkämpfe, an denen ich mich erfreuen kann und mitfreue, nicht einfach darüber hinwegtäuschen, dass es schon massive Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen im Vorfeld gab.

domradio.de: Wie sehr muss die Kirche da immer wieder den Finger in die Wunde legen?

Peters: Sport ist schon ein Ereignis, dass immer noch große Menschenmassen anzuziehen vermag, und der Sport an sich ist ein Wert um des Menschen willen. Aber der Sport darf nicht dazu missbraucht werden, zu politischen Zwecken herhalten zu müssen; das war bisweilen im Umfeld von Sotchi der Fall gewesen. Also: Magnet Olympische Spiele wunderbar, ich freue mich über das gute Fazit, dass es faire Wettkämpfe gibt, aber umgekehrt darf auch nach den Spielen nicht einfach darüber hinweggesehen werden, dass es im Vorfeld tragische Missstimmungen gab.

domradio.de: Viele Athleten haben sich geäußert und sich beschwert, dass in der Berichterstattung so viel über die Probleme, über Politik und Menschenrechte gesprochen wurde und sie, die Athleten, die sich zum Teil vier Jahre auf dieses Ereignis vorbereitet haben, gar nicht so sehr im Mittelpunkt stehen, dass sie sich viel mehr auf den Sport konzentrieren wollen. Können Sie die auch verstehen?

Peters: Ich würde sagen, das ist bis zum Beginn der Spiele vielleicht der Fall gewesen, aber in der Berichterstattung bis zum heutigen Tag kann ich mich wirklich darüber freuen, dass dem Sport Rechnung getragen wird und die politische Dimension augenblicklich zumindest nicht ganz in Vergessenheit gerät, aber doch an die zweite oder dritte Stelle gerückt wird. Das ist während der Spiele OK. Und wenn Sie eingangs Herr Bach zitiert haben, der jetzt ein gewichtiges Amt zu vertreten hat, bin ich überzeugt, dass man nach den Spielen auch durch die Brille des IOC noch einmal kritisch hinschauen wird. Aber jetzt im Augenblick erfreue ich mich an den Spielen und würde sagen, es hat eine positive Wende gegeben, die die Sportler auch zur Halbzeit der Wettkämpfe so teilen würden.

domradio.de: Dann sprechen wir doch vielleicht auch noch ein bisschen über den Sport: Wie viel Olympia und wie viel Fernsehschauen passt denn in Ihren Terminkalender als Weihbischof?

Peters: Wenn ich ehrlich bin, an TV-Sendungen kaum etwas, ich bin zu viel unterwegs, aber allmorgendlich in der Rundfunkberichterstattung oder auch in den jetzt sehr deutlich ausgeweiteten Sportteilen der Tageszeitungen bin ich schon ein interessierter Hinschauer und kann ich mich auch über neue Disziplinen freuen, die da Eingang gefunden haben: Snowboard, damit ist man ja in den vergangenen Jahren schon mit vertraut geworden; wenn ich jetzt aber die noch neueren Stilblüten da entdecken darf und höre und lese, wie spontan Sport sich ereignen darf und wie das auch zu wirklichen Freundschaften und nicht nur zu Konkurrenz führt, dann habe ich eine echte Freude an diesen Spielen.

domradio.de: Das heißt, Sie können sich richtig am Sport und den Leistungen der Sportler begeistern?

Peters: Durchaus! Und ich bedaure bisweilen, nicht dabei sein zu können.

domradio.de: Kurz vor den Spielen ist ja der Sportpfarrer der Bischofskonferenz zurückgetreten. Kann man das irgendwie auffangen und den Athleten noch seelsorglich an die Hand gehen?

Peters: Ich stehe mit Dr. Nonte gut im Kontakt und freue mich darüber, dass es in der Tat durch den evangelischen Kollegen eine ganz gute Unterstützung gibt, dass die österreichische Truppe auch mit ihrem Seelsorger, der bei den Spielen dabei ist, ein Auge auf unsere deutschen Athlet/innen hat. Und wie ich höre, auch aus den Reihen russischer Seelsorger gibt es einen deutschsprachigen Mitbruder bei den Spielen. Ich denke, da wird manches aufgefangen, obwohl ich natürlich diesen Ausfall auch sehr bedauert habe.

domradio.de: Jetzt haben wir Halbzeit bei Olympia, letzte Frage Herr Weihbischof: Was erwarteten Sie sich, was wünschen Sie sich von der zweiten Halbzeit?

Peters: Dass es so weitergeht mit der Freude, die auch durch die unglaublich vielen Ehrenamtlichen geleistet wird, die als "Volontiers" den Spielen auch ein Gesicht geben. Und dass die Sicherheitsbedingungen, wie ich eben noch einmal in Berichten gehört habe, nicht zum Nachteil an Freude, an Begegnung führen müssen. Also, dass es faire Wettkämpfe gibt, dass diejenigen, die jubeln dürfen, das in rechter Weise verarbeiten können, aber auch diejenigen, für die es ganz knapp danebenging, nicht frustriert, sondern im olympischen Geist, einfach dabei sein zu können und eine tolle Leistung gebracht zu haben, zufrieden sein können; und dass sie diese Ereignisse so auch miteinander tragen und mit nach Hause nehmen können.

Das Interview führte Matthias Friebe.


Weihbischof Jörg Michael Peters (Bistum Trier)
Quelle:
DR