Kirche in Not fordert Schutztruppe für Zentralafrikanische Republik

Wenn sich Nachbarn töten

Als halbe Wahrheit bezeichnet Kirche in Not, dass Christen in Zentralafrika Jagd auf Muslime machen. Über den Konflikt in dem extrem unterentwickelten Land, spricht André Stiefenhofer von Kirche in Not im domradio.

UN: Eine Million Zentralafrikaner auf der Flucht (dpa)
UN: Eine Million Zentralafrikaner auf der Flucht / ( dpa )

domradio.de: Wie ist die Situation der Menschen momentan in Zentralafrika?

André Stiefenhofer von Kirche in Not: Wir bekommen unsere Informationen hauptsächlich von den katholischen Bischöfen und den Missionaren, die dort vor Ort sind. Es ist in der Tat so, dass auch diese Bischöfe und Missionare vor einem Völkermord warnen. Sie sagen, die Situation ist derart gewaltbereit und aufgeheizt, dass sich die Menschen eigentlich in ihren Wohnvierteln verschanzen: Die Christen in den christlichen und die Muslime in den muslimischen und dass man sich gegenseitig in dieses Vierteln auch nicht mehr besuchen kann, ohne Gefahr zu laufen, gelyncht zu werden. Das ist so ein gegenseitiges Misstrauen, das zurzeit vor Ort herrscht.

domradio.de: Was ist der Grund dazu? Lange Zeit lebten Christen und Muslime doch friedlich nebeneinander?

Stiefenhofer: Ich denke mal, schon die Aufteilung Christen und Muslime ist etwas, was wir jetzt im Nachhinein als Erklärungsmuster versuchen anzustrengen. Die Zentralafrikanische Republik ist seit ihrer Gründung eigentlich nie zur Ruhe gekommen, da gab es immer Putsche und Rebellionen, die waren politisch ebenso wie religiös motiviert. Das war immer an der Tagesordnung. Das heißt, das ist schon einmal ein sehr instabiles Land.

Die meisten Zentralafrikaner sind Christen und eine Minderheit Muslime und diese Minderheit hat mit der Mehrheit normalerweise friedlich zusammengelebt. Wieso es jetzt zu diesem Ausbruch der Gewalt kam, das lag daran, dass im vergangenen März es mal wieder eine etwas stabilere Rebellenkoalition im Norden gab, die sogenannte Seleka. Sie wurden mit Islamistenunterstützung aus dem Tschad recht erfolgreich und haben zuerst den Nordosten übernommen, sind dann in den Süden vorgerückt, haben dabei im vergangenen Jahr relativ unbemerkt von den westlichen Medien auch Massaker an der christlichen Bevölkerung verübt, haben dann die Hauptstadt eingenommen und die Macht ergriffen.

Sie haben also in einem überwiegend christlichen Land plötzlich eine Islamistengruppe gehabt, die die Regierung geführt hat. Das hat natürlich zu sehr viel Angst und Verwirrung geführt, auch weil es den internationalen Schutztruppen nicht gelungen ist, eben die Christen vor den Muslimen zu beschützen. Dass sich jetzt wieder die Christen gegen die Muslime wenden und sagen, wir wollen euch hier rausschmeißen und das auch mit Gewalt, das ist natürlich nicht zu vertreten. Wenn dann westliche Medien titeln "Christen machen Jagd auf Muslime" ist das natürlich nur die halbe Wahrheit.

domradio.de: Wie verhält sich die Kirche in dem Land?

Stiefenhofer: Die Kirche geht auf Schulterschluss auch mit den muslimischen Führern. Wir haben da Berichte von den Bischöfen, gerade der Erzbischof von Bangui ist ein Vorbild. Er stellt sich neben die Imame der Stadt, er sagt Nein zu Hass und Rache. Er sagt, wir müssen wieder lernen miteinander zu leben und miteinander die Probleme unseres Landes anzugehen. Sowohl die christliche als auch muslimische Elite sieht, dass da politische Probleme dahinter stecken, und dass das Problem eben nicht die Religion ist. Ich denke, das ist auch ein Punkt den der Westen sehr stark berücksichtigen muss, dass man hier nicht sagt, die bösen Christen oder die bösen Muslime gehen hier aufeinander los, sondern man sieht, das ist ein extrem unterentwickeltes Land und hier müssen wir versuchen, zunächst wieder eine öffentliche Ordnung aufzurichten.

domradio.de: Da sagen Sie von Kirche in Not, die Politik ist gefragt, mehr Schutztruppen für Zentralafrika ist die Forderung. Wie optimistisch sind Sie, dass das durchgesetzt werden kann?

Stiefenhofer: Die Forderung kommt zunächst einmal auch direkt aus der Zentralafrikanischen Republik von den dortigen Bischöfen, die wünschen sich das natürlich, weil die momentan im Land befindlichen ausländischen Soldaten, das sind momentan etwa 5000 aus der afrikanischen Union und etwa 1600 französische Soldaten, sind im Moment nicht zu viel mehr in der Lage als überhaupt die Hauptstadt oder um es noch ein bisschen drastischer auszudrücken, den Flughafen der Hauptstadt von der Zentralafrikanischen Republik zu schützen.

Sie müssen sich vorstellen, das Land ist fast so groß wie Frankreich, besteht hauptsächlich aus Urwald und Dschungel und im Rest des Landes gibt es kaum ausländische Militärpräsenz. Da könnte man eben noch sehr viel mehr tun.

Das Interview führte Verena Tröster


Quelle:
DR