Experten: Mainz hat wohl zweitälteste Kirche in Deutschland

Ein versteckter "Uraltdom"

Überraschung in der Fachwelt: Mainz hat eine Kirche mit Mauerresten bis hoch zum Dach, die vermutlich mehr als 1200 Jahre alt sind. Eine noch ältere deutsche Kirche soll es nur noch in Trier geben.

Autor/in:
Jens Albes
Ausgrabungen in Mainz (dpa)
Ausgrabungen in Mainz / ( dpa )

Die zweitälteste Kirche auf deutschem Boden steht nach Ansicht von Fachleuten wohl in Mainz. Im sogenannten Alten Dom in Mainz, der heutigen evangelischen Kirche St. Johannis, stecke "ein Uraltdom", der zu Zeiten Karls des Großen erbaut worden sei, sagte Dekan Andreas Klodt am Dienstag mit Blick auf erste Erkenntnisse neuer Grabungen. "Wir haben hier die älteste Kirche nach Trier in Deutschland." Als älteste deutsche Kirche gilt der Trierer Dom, der auf das vierte Jahrhundert zurückgeht.

Karolingischer Dom in St. Johannis

Der Kunsthistoriker Matthias Untermann vom Institut für Europäische Kunstgeschichte in Heidelberg erklärte, dass sich karolingische Mauerreste vom Keller bis zum Dach zögen. "Das ist eine große Überraschung." Die Fachwelt habe dies unterschätzt. Karl der Große war vor 1200 Jahren gestorben.

"Wir sind extrem stolz darauf, was wir gefunden haben", sagt der evangelische Mainzer Dekan Andreas Klodt. Eigentlich, so das ursprüngliche Vorhaben, sollte in St. Johannis lediglich die Bausubstanz aus der Nachkriegszeit saniert werden. Als Fußboden und Heizkörper im vergangenen Jahr entfernt worden waren, kamen Archäologen auf die Baustelle. Eigentlich hatten die nur vorgehabt, "ein wenig zu kratzen". Stattdessen überschlugen sich die Ereignisse auf der Kirchenbaustelle

Der rheinland-pfälzische Landeskonservator Joachim Glatz sagte: "Das ist der einzige erhaltene karolingische Dom Deutschlands." Denn normalerweise hätte ein Bischof im Mittelalter einen Dom exakt an der Stelle des Vorgängerbaus errichtet. Erzbischof Willigis habe aber vor rund 1000 Jahren den heutigen Mainzer Dom daneben bauen lassen. Beide Kirchen seien dann lange durch einen Zwischenbau verbunden gewesen.

Christen bereits zur römischen Zeit in Mainz

Laut Kunsthistoriker Untermann ist das ursprüngliche gewaltige Raumempfinden in St. Johannis wegen meterhoher Aufschüttungen im Laufe der Jahrhunderte teils verloren gegangen. Der Archäologe Ronald Knöchlein sagte, Mainz habe bereits zu römischer Zeit eine Christengemeinde gehabt. Beim weiteren Graben in der Tiefe des Kirchenschiffs sei "hier die Wahrscheinlichkeit am größten, auf eine spätrömische Kirche zu stoßen". Selbst ein römischer Tempel könnte einst in diesem Bereich gestanden haben, erläuterte der Experte.

900 Jahre alte Gräber entdeckt

Seit dem 19. Jahrhundert nutzt die evangelische Gemeinde das Gebäude. Im Zweiten Weltkrieg brannte St. Johannis nach einem Bombenangriff aus. Auch nach Monaten gibt es immer weitere Neuigkeiten aus der Baustelle: So wurden erst vor einigen Tagen im Keller zwei Gräber aus der Zeit vor 900 entdeckt. Um wen es sich bei den zu Lebzeiten vermutlich einflussreichen Toten handelte, ist noch unklar.

Allerdings befinden sich wohl unter den unterhalb des Heizkellers freigelegten Skeletten nicht die verschollenen sterblichen Überreste des Heiligen Bonifatius. Bischöfe in jener Zeit wären nach Erkenntnissen der Archäologen an einer anderen Stelle in der Kirche bestattet worden.

Die sensationellen Funde in der Kirche werden in Mainz nicht nur Freudensprünge auslösen: Für die Kirchengemeinde von St. Johannis rückt das Ende der Sanierungsarbeiten noch weiter in die Zukunft.

Waren für ein Ende der archäologischen Arbeiten bislang fortlaufend neue Termine angekündigt und dann wieder verschoben worden, werden mittlerweile keine konkreten Fristen mehr genannt. Zur künftigen Nutzung des evangelischen "alten Doms" will die hessen-nassauischen Landeskirche ein Konzept erarbeiten.


Gebeine im Kirchenfundament (dpa)
Gebeine im Kirchenfundament / ( dpa )
Quelle:
dpa