Wohin steuert die katholische Kirche nach der Ära Zollitsch?

Milder Rückenwind aus Rom

Der künftige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz werde auch erstarrte Fronten im Denken auflösen müssen, wenn er etwas nach vorne bewegen will. Das schreibt KNA-Chefredakteur Ludwig Ring-Eifel in seiner Einschätzung.

Bischöfe in Münster (dpa)
Bischöfe in Münster / ( dpa )

In Deutschland ist der Frühling fast so zeitig ausgebrochen wie im fernen Rom. Und so tagt die Deutsche Bischofskonferenz ab Montag in Münster mit Aussicht auf eine beinahe schon südliche Sonne, Blüten und frisches Grün. Auch kirchenpolitisch brechen beiderseits der Alpen frische Knospen auf, begünstigt von der Aura des Franziskus-Papstes, der seit einem Jahr weltweit die Herzen der Katholiken erobert.

Die Charme-Offensive des Argentiniers hat in der katholischen Kirche Verhärtungen aufgeweicht und Debatten belebt. Diskussionsstände, die etwa beim Thema der wiederverheirateten Geschiedenen über Jahrzehnte festgezurrt schienen, geraten in Bewegung. Den deutschen Kardinal Walter Kasper ließ der Papst in Rom ein Grundsatzreferat zu diesem Thema halten. "Stellen Sie Fragen!", hatte er ihn ermuntert, und nun ist eine lebhafte Debatte im Gang. Dass man gordische Knoten nicht mit dem Schwert durchschlägt, sondern sie allmählich lockert und dann entwirrt, hat Bergoglio alias Franziskus vor vielen Jahren in Deutschland gelernt. Das Augsburger Gnadenbild der "Maria Knotenlöserin" ist darin seine Leitfigur.

Ungelöste Probleme

Allen römischen Aufbrüchen zum Trotz steht die Deutsche Bischofskonferenz auch im Franziskus-Pontifikat vor ungelösten Problemen. In den sechs stürmischen Jahren mit Erzbischof Robert Zollitsch als Vorsitzendem ist es ihr gelungen, einige Klippen ohne Schiffbruch zu umfahren. Aber nach dem Missbrauchsskandal, dem Augsburger Rücktritt von Bischof Walter Mixa, dem Limburger Bauskandal und der Weltbild-Pleite kommt das "Schifflein Petri" in Deutschland doch mit arg zerzausten Segeln daher.

Zwar sprudeln die Kirchensteuern dank Wirtschaftswachstum kräftiger denn je. Die Dome in Münster und anderswo glänzen frisch renoviert, und die kirchlichen Verwaltungen sind personell bestens ausgestattet. Doch den Aderlass von jährlich über 100.000 Kirchenaustritten und das Verdunsten von Glaube, Gebet und Frömmigkeit können Pastoralstrategen und Religionspädagogen offenbar nicht aufhalten. Hinzu kommt ein bisweilen unversöhnlicher Ton zwischen den kirchlichen Lagern und Gruppen. Das führt in Limburg so weit, dass die jeweils Andersdenkenden einander verdächtigen, sie stürzten durch ihre Ideologie und ihr Machtstreben die Kirche ins Verderben.

Lokale Kirchen-Konflikte

Fast so scharf wie in Limburg weht derzeit der Wind in manchen lokalen Kirchen-Konflikten, ob es nun um Pfarrerversetzungen am Niederrhein oder um Gemeindefusionen in Berlin geht. Es gedeiht eine kirchliche Empörungs-Kultur, die - von sozialen Netzwerken und Medien befeuert - Konflikte oft eskalieren lässt statt sie zu lösen.

Zollitsch hat durch seine bundesweite "Gesprächsinitiative" beharrlich versucht, Streit und Misstrauen auf Ebene der Bischöfe und der Verbände zu entschärfen. Doch der Erfolg an der Basis ist begrenzt. Nun wird ein Vorsitzender gesucht, dem es nach dem Vorbild von Franziskus gelingen könnte, Lagermentalitäten und Misstrauen mit neuem Schwung zu überwinden.

Da es in der Kirche um Glauben geht, wird dies nur ein Bischof sein können, der die neuen Glaubens-Impulse aus Rom versteht und es fertig bringt, sie in die meist (klein)bürgerliche Kultur des deutschen Katholizismus zu übersetzen. "Theologie des Volkes Gottes", "an die Ränder gehen", "Hirten, die den Geruch ihrer Schafe annehmen" - was der Papst als Lateinamerikaner predigt, klingt nördlich der Alpen oft einen Tick zu schwärmerisch. Daraus gangbare Wege für Deutschland abzuleiten, ist nicht leicht.

Die Glaubenskrise hierzulande hat tiefe Wurzeln. 50 Jahre nach dem Konzil, zu dem ihre Bischöfe damals entscheidende Impulse gaben, hat die katholische Kirche ihre Rolle in einer pluralistischen, mobilen und freiheitlichen Gesellschaft noch nicht gefunden. "Bloß keine Anpassung an den Zeitgeist!", mahnen die Konservativen. "Es droht das Abseits einer fundamentalistischen Sekte!", warnen die Liberalen. Der künftige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz wird auch erstarrte Fronten im Denken auflösen müssen, wenn er etwas nach vorne bewegen will.


Quelle:
KNA