Die Bischöfe beraten über Zollitsch-Nachfolger

"Die Bischofskonferenz braucht eine eierlegende Wollmichsau"

Morgen wählen die 66 Bischöfe der Deutschen Bischofskonferenz ihren neuen Vorsitzenden. Ein tiefgreifender Generationswechsel wird erwartet. Matthias Drobinski, Süddeutsche Zeitung, im domradio.de-Interview über Jobprofile und heiße Kandidaten.

Wer folgt Erzbischof Zollitsch als Vorsitzender? (KNA)
Wer folgt Erzbischof Zollitsch als Vorsitzender? / ( KNA )

domradio.de: Was für ein Profil suchen die Bischöfe denn eigentlich für ihren neuen Vorsitzenden?

Drobinski: Das ist schwer zu sagen. Ich hab mir schon gedacht, eigentlich die eierlegende Wollmichsau, also jemanden, der politisch kompetent ist, der nach außen wirken kann, der die Anliegen der katholischen Kirche vor der Bundeskanzlerin, dem Bundespräsidenten, vor uns Journalisten darstellen, präsentieren und vertreten kann. Das ist die eine Funktion. Die andere, natürlich, ist doch auch, er muss nach innen wirken, er muss diese Bischofskonferenz, die ja nun sehr unterschiedliche Typen vereint, zusammenhalten können. Er muss da Kompromisse schließen und schmieden können, er muss im Dritten natürlich auch ein Vorbild für die Gläubigen sein. Also jemand, der auch authentisch fromm und religiös ist, ohne da gekünstelt zu wirken. Alles dies zusammen soll er sein, das ist schon eine hohe Anforderung.

domradio.de: Der Vorsitzende der Bischofskonferenz wird ja in der Öffentlichkeit vielfach als Chef der Bischöfe angesehen. Hängt damit auch zusammen, dass es zunehmend schwieriger wird, einen geeigneten Kandidaten für den Vorsitz zu finden?

Drobinski: Ja, sicher aus diesem Gespaltensein. Also rein kirchenrechtlich-formal ist ja der Vorsitzende der Bischofskonferenz mehr oder weniger Chef einer Arbeitsgemeinschaft, also er ist nicht Chef der Bischöfe, sondern sitzt einer Arbeitsgemeinschaft vor von lauter eigenständigen Bischöfen, die natürlich in ihrem Bistum kleiner Papst sind und auch sich nicht immer gerne reinreden lassen. Das ist das eine. Zum anderen natürlich ist dieser Vorsitzende als Gesicht der katholischen Kirche immer wichtiger geworden, vielleicht sogar wichtiger als ihre Rolle. Gleichzeitig natürlich ist ihre formale Macht gering. Und das ist vielleicht auch ein Grund, warum es nicht so ganz einfach ist, dann zu sagen, der soll es sein.

domradio.de: Nun wird ja der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx als Nachfolger von Erzbischof Zollitsch gehandelt als einer der heißen Kandidaten. Oder aber auch der Berliner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki. Was spricht denn für diese heißen Kandidaten?

Drobinski: Für Kardinal Marx, glaub ich, spricht, dass er natürlich einfach eine unglaubliche Power hat, dass er ein politischer Kopf ist, dass er jemand ist, der nach außen diese Anliegen der Kirche sehr, sehr gut vertreten kann, der jetzt in Rom regelrecht einen Aufstieg gemacht hat. Also, er ist jetzt Koordinator des Wirtschaftsrates, er sitzt in diesem K8-Gremium, also dem Gremium der acht Kardinäle, die den Papst beraten bei der Kurien- und Kirchenreform. Das sind natürlich alle Dinge, wo man sich denkt, wow, so einen bräuchte man. Gleichzeitig ist er aber auch vielen Bischöfen zu vorwärtsdrängend, also einer, der diese Versammlung auch dominieren würde, der natürlich sehr klar wüsste, was er wollte und das, glaub ich, auch sehr brachial manchmal durchsetzen würde. Woelki ist da sicher ein ganz anderer Typ, das ist jemand, der schüchterner ist, auch von der ganzen Art her, der nachdenklich ist, der lieber vorsichtig ist, der eher ein vermittelnder Typ wäre. Deswegen sagten Viele, nehmen wir doch lieber den. Woelki selber aber hat gesagt, naja, ich weiß gar nicht, ob ich das will oder er hat viel stärker gesagt: Um Gottes Willen, ich will das bloß nicht. Ich glaube, dass er wirklich sagt, das ist nicht meine Aufgabe, ich hab mit meinem eigenen Bistum auch noch so viel zu tun, was übrigens auch für Kardinal Marx stimmt, der im eigenen Bistum auch sehr viele Baustellen hat, um die er sich natürlich auch kümmern müsste. Das sind so Gründe, die gegen beide dieser, wenn man so will, Favoriten sprechen würden, weshalb es vielleicht sogar auch ein Dritter wird.

domradio.de: Das höre ich da schon bei Ihnen raus. Haben Sie da einen persönlichen Tipp, den Sie abgeben würden?

Drobinski: Hier wird viel vom Osnabrücker Bischof Bode geredet, der sein Bistum schon lange und unauffällig und zur Zufriedenheit der meisten Gläubigen führt, der eher immer als Vertreter des liberalen Flügels galt. Deswegen dachten immer alle, der ist nicht wählbar. Das hat sich nun mit dem neuen Papst Franziskus geändert. Vieles von dem, was Bode sagt, sagt der Papst auch. Also, dieser Grund ist einfach weggefallen. Er ist einer der Dienstältesten, er ist jemand, den Viele respektieren als einen, der auch Kompromisse schließen kann. Also, in diesem Sinne ja. Er ist natürlich jetzt öffentlich wenig aufgefallen. Er wäre jetzt keiner, der diese Konferenz nach außen hin sehr profilieren würde, sondern wäre eher jemand, der nach innen wirken könnte und da für Frieden durchaus sorgen könnte.

domradio.de: Es ist allerdings klar, dass aller Wahrscheinlichkeit nach eine neue Generation an die Spitze der Bischofskonferenz kommen wird. Was verändert sich denn dadurch, wie unterscheiden sich denn die so genannten jungen Bischöfe von den alten?

Drobinski: Ich glaube, dass die alten, bei allen Unterschieden, die sie hatten, doch viel verband. Bei den ganz Alten sicher die Erfahrung des Kriegsendes, der unmittelbaren Nachkriegszeit. Für Viele aber auch die Konzilserfahrung. Das heißt, das sind alles Bischöfe, die sich in der Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils entschieden haben, Priester zu werden oder junge Kapläne waren, also die begeistert waren davon, die das mal in der einen, mal in der anderen Richtung interpretierten. Aber das ist doch ein gemeinsamer Erfahrungshorizont, der die, glaub ich, viel einiger gemacht hat als die Bischofskonferenz heute ist. Heute kommen diese Bischöfe zum Teil auch aus ganz unterschiedlichen Biographien. Das finde ich auch interessant. Gut, Viele haben natürlich auch in Rom studiert, das eint auch. Viele haben schon diesen Eindruck, das ist auch noch ein Unterschied zu den Älteren, dass sie doch Vertreter einer sehr kleinen Minderheit sind. Es gibt nur noch wenige Menschen, die ins Priesterseminar gehen und das erleben diejenigen, die jetzt 50 sind, doch auch sehr stark. Die Bischöfe, die jetzt so die Generation "bestes Alter" sind, die haben alle schon erlebt, dass da eine Tradition abgebrochen ist, dass sie, zum Teil auch gegen einen Mainstream, ins Priesterseminar gegangen sind. Das prägt dann schon, das macht vielleicht auch manchmal misstrauisch gegen die Öffentlichkeit. Gleichzeitig sehen viele von diesen Jungen, dass es so, wie es die ganze Zeit mit dieser katholischen Kirche gelaufen ist, auch nicht weiter gehen kann. Also, in diesem Sinne ist das so eine Generation, die schwerer einzuschätzen ist, die im Positiven - so kann man es ja auch sagen - für viele Überraschungen gut ist. Es kann aber auch heißen, dass die Debatten, auch die Auseinandersetzungen in der Bischofskonferenz zunehmen. Es wird jedenfalls eine spannende Zeit.

Das Gespräch führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR