Hier, im Mainzer Ortsteil Finthen, wurde er geboren. Hier wuchs er auf, war er Messdiener, spielte er bei der "Fontana" Fußball: Gerhard Ludwig Müller. Kürzlich wurde der 66-Jährige zum Kardinal erhoben. Als Präfekt der römischen Glaubenskongregation bekleidet er das nach dem Papst und dem Kardinalstaatssekretär höchste Amt in der römischen Kurie. Am Samstag feierte der Kardinal mit seinem Bruder Günter in Finthen dessen 70. Geburtstag, am Sonntag in der Finther Kirche Sankt Martin einen Gottesdienst.
In dieser Kirche hatte ihn 1978 der damalige Mainzer Kardinal Hermann Volk zum Priester geweiht, und hier feierte Müller auch das 25-Jahr-Jubiläum seiner Priesterweihe. Am Samstag hatte das Bistum Mainz, zu dem er als Priester gehört, dem neuen Kardinal Müller einen Empfang bereitet. Da begegneten sie sich wieder: der Mainzer Bischof Karl Lehmann, Kardinal seit 2001, und der neue Purpurträger Müller.
Für die Grundsätze der Kirche da
Beim Theologieprofessor Karl Lehmann hatte Müller promoviert und sich habilitiert. Später lehrte er an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, 2002 wurde er Bischof von Regensburg. Seit 2012 ist er Präfekt der Glaubenskongregation - mithin mit der Aufgabe betraut, "die Glaubens- und Sittenlehre in der katholischen Kirche zu fördern und zu schützen".
Müller einerseits: Seit Jahren bemüht er sich um eine angemessene Würdigung der aus Lateinamerika stammenden "Theologie der Befreiung". Müller andererseits: Er gilt als "Hardliner", weil er sich etwa strikt gegen Frauen im Priesteramt und ebenso strikt für die Unauflöslichkeit der Ehe ausspricht. Dazu sein Bruder Günter: "Mein Bruder ist für die Grundsätze der Kirche da. Und die sind nun mal kein Wahlprogramm, kein Wunschkonzert. Man kann sich an sie halten oder soll es eben sein lassen."
Natürlich reiste Günter Müller, ein gelernter Maschinenbauschlosser, Ende Februar zur Kardinalserhebung seines Bruders nach Rom, gemeinsam mit seiner Frau Gisela. Beide bescheinigen dem prominenten Bruder und Schwager, dass er immer Zeit habe, "wenn es um die Familie geht". Und der Finther Pfarrer Christoph Zell weiß zu berichten, der Kardinal sei seiner Heimatgemeinde "sehr verbunden".
Am Sonntagmorgen nun holen Messdiener und die "Katholische Kirchenmusik Cäcilia 1919" Müller an seinem Elternhaus in Finthen ab, in dem Bruder Günter und Schwägerin Gisela wohnen. In einer Prozession geht es zum Gottesdienst in die Martinskirche. Von weither ist der Klang der Glocken zu hören. Neben vielen anderen mit dabei und an ihren Fahnen zu erkennen: die Freiwillige Feuerwehr, der "Reit- und Fahr-Verein", der "Touristen-Club Wanderlust", die "Finther-Reservisten". Viele der Häuser am Straßenrand sind mit Fahnen in den Kirchenfarben Gelb und Weiß geschmückt. Müller ist offensichtlich bester Laune. Er winkt, schüttelt Hände, spricht mit vielen Leuten.
Zur Visite des Kardinals in Finthen gekommen ist Ortsvorsteher Herbert Schäfer, der einst gemeinsam mit Müller Messdiener war. Und gekommen ist auch der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD).
Für Finthen ein historischer Tag
Er würdigt Müller als eine "Persönlichkeit, die für ihre Überzeugungen einsteht", und wünscht ihm, er möge die alte Heimat "als einen Anker in seinem Herzen bewahren". Ortsvorsteher Schäfer erinnert daran, dass Müller in der Fastnacht ein "begnadeter Büttenredner" gewesen sei, und stellt fest, nun könnten die Finther sagen: "Wir sind Kardinal".
Zum Gottesdienst haben sich rund 400 Menschen versammelt. In seiner Begrüßung spricht Pfarrer Zell von einem "für Finthen historischen Tag". Müller zeigt sich in seiner Predigt "bewegt von dieser Stunde". Er bezeichnet sich als einen "Sohn" der Finther Gemeinde, spricht von einem "Geist der Dankbarkeit". Je älter man werde, so Müller, desto mehr begreife man, dass man das, was man sei und tun könne, anderen zu verdanken habe.
Und dann fordert er einen "neuen Geist" im Umgang miteinander in der katholischen Kirche in Deutschland. Manchmal habe man den Eindruck, dass das Klima in der Kirche etwas "entgiftet" werden müsse.
Die Kollekte in dem Gottesdienst, an den sich ein Empfang in der nahen Finther Radsporthalle anschließt, ist für die Ausbildung von Priestern in Peru bestimmt. Das hatte sich Müller gewünscht.