EU-Bischofskommission wirbt in Brüssel für ein Europa der Werte

"Sozialethisch - kritisch - positiv begleitend"

Die EU-Bischofskommission, in der Vertreter der Bischofskonferenzen aller EU-Staaten zusammengeschlossen sind, tritt in Brüssel zusammen. Ziel des Gremiums ist, ein Bild Europas zu befördern, das die Einheit des Kontinents mit einer gemeinsamen Idee versieht.

 (DR)

Europa ist mehr als eine Wirtschaftsunion. Mit dieser Überzeugung wirbt die katholische Kirche für eine stärkere Zusammenarbeit des Kontinents. Ein wichtiges Instrument, um ein Europa der Werte zu fördern, ist die EU-Bischofskommission COMECE, in der Vertreter der Bischofskonferenzen aller 28 EU-Staaten zusammengeschlossen sind. An diesem Mittwoch tritt sie unter ihrem Vorsitzenden, dem Münchner Kardinal Reinhard Marx (60), in Brüssel zusammen.

"KIrche nicht als Bedenkenträger"

Als Aufgabe der COMECE beschreibt Marx, der seit 2012 an der Spitze der Kommission steht, die politische Agenda der EU "sozialethisch, kritisch und positiv" zu begleiten. Die COMECE wolle ein Bild Europas befördern, das die Einheit des Kontinents mit einer gemeinsamen Idee versehe. "Wir sollten als Kirche eher die Promotoren einer positiven europäischen Einigung sein und nicht die Bedenkenträger", betont er. 

Kommission seit 1979

Entstanden ist die "Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft" im Zuge der ersten Direktwahlen zum Europaparlament 1979. Die Konstruktion als Verbindungsstelle zur EU-Politik ist jener der Katholischen Büros in Deutschland nicht unähnlich. Auch dort halten Kirchenvertreter Kontakt zu Parlamenten und Regierungen in Bund und Ländern und versuchen, Politik im Sinne der Kirche mitzugestalten.

Deutsche haben Struktur und Inhalte der COMECE entscheidend mitgeprägt. Von den bislang sechs Vorsitzenden kamen drei aus Deutschland: außer Marx der Gründungspräsident und Bischof von Essen, Franz Hengsbach (1982-1984), sowie Bischof Josef Homeyer von Hildesheim (1993-2006).

Dialog zwischen EU und Religionsgemeinschaften

Mit dem historischen Umbruch in Europa Anfang der 90er Jahre erhält für die katholische Kirche auch ihre Brüsseler Vertretung zusätzliche Bedeutung. Der Fall des Eisernen Vorhangs und der Vertrag von Maastricht (1992) machen ein Neudenken des europäischen Projekts nötig. Unter Kommissionspräsident Jacques Delors (1985-1995) entsteht ein allmählich institutionalisierter Dialog zwischen der EU und den als "sinnstiftend" empfundenen Religionsgemeinschaften.

Ein fester Platz in Brüssel

Mit Bischof Homeyer und dessen agilem Generalsekretär Noel Treanor (1993-2008) bekommt die COMECE einen festen Platz im Brüsseler EU-Konzert, als kirchliche Schnittstelle zu den europäischen Institutionen. Zwar gelingt es nicht, einen Gottesbezug am Ende gescheiterten EU-Verfassung festzuschreiben. Doch in der Europäischen Grundrechtecharta und anderen "Werteprojekten" haben ihre Beiträge Niederschlag gefunden. Im den EU-Verträgen von Amsterdam 1997 und Lissabon 2009 konnten die Kirchen ihre Rechtsstellung in den Mitgliedstaaten sichern.

Menschenrechte, Asyl und Justiz

Die Stellungnahmen der COMECE sind von der katholischen Soziallehre inspiriert. Ihre Arbeitsthemen reichen von Religion und Staat im engeren Sinne über die Rolle der EU in der Welt - Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik, Handelsfragen - bis hin zum europäischen Gesellschaftsmodell: soziale Probleme, Forschung und Bioethik, Bildung und Jugend. Eine wichtige Rolle spielen auch Fragen um Recht und Gerechtigkeit: Menschenrechte, Asyl und Justiz sind Bereiche, in denen die Stimme der Kirche zu hören ist.

Schutz der Familie, Sterbehilfe und Biotechnologie

Die EU-Bischofskommission versucht, christliche Werte wie den Schutz von Familie, Leben und Menschenwürde in einer europäischen Gesellschaft zu verteidigen, in deren Mitgliedstaaten sich teils tiefgreifende Paradigmenwechsel vollziehen. Sterbehilfe, Biotechnologie, gleichgeschlechtliche Ehen, Sozialkürzungen, Arbeitnehmerrechte und der Sonntagsschutz sind nur einige Beispiele.

Soziale Marktwirtschaft als Verantwortungsgemeinschaft

2012 legte die COMECE unter Federführung von Marx ein Dokument vor, das die EU auffordert, das Konzept der sozialen Marktwirtschaft zu einer internationalen "Solidaritäts- und Verantwortungsgemeinschaft" weiterzuentwickeln. Ohne staatliches Eingreifen sei der freie Markt nicht in der Lage, bestimmte öffentliche Güter für alle Bürger bereitzustellen, etwa im Gesundheits- und Bildungsbereich.

In diesen Tagen kommt nun ein neues, beunruhigendes Arbeitsfeld hinzu: die Friedenspolitik. Angesichts der Krim-Krise darf mit Spannung erwartet werden, was die COMECE-Bischöfe der Friedensnobelpreisträgerin EU als Handlungsempfehlung mitgeben.


Quelle:
KNA