Michaelsbund empfiehlt "Jenseits des Schweigens"

Das Buch für den April

"Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Die letzten Worte Jesu können uns helfen, wenn wir selbst einmal keine Worte finden - darüber schreibt der Dominikaner Timothy Radcliffe.

Lesegenuss in der Sonne / © Kay Nietfeld (dpa)
Lesegenuss in der Sonne / © Kay Nietfeld ( dpa )

Worte können treffen. Worte sind Schall und Rauch, Geschwätz, das vergessen ist, sobald es zum einen Ohr herein und zum anderen wieder heraus sind. Worte sind existenziell, sind der Grundstoff menschlichen Lebens, ohne die niemand leben kann, zumindest nicht bei psychischer Gesundheit. Die sieben letzten Worte Jesu (unter anderem "Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun" - "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?") gehören zu jenen existenziellen Worten, bilden sie doch den Höhepunkt des Dramas, das mit Marias "Ja" begann und bis heute fortdauert. Der Dominikaner Timothy Radcliffe meditiert sie weise, weltoffen und lebensdienlich, so dass sie den Geruch verlieren, Leiden zu glorifizieren. Dadurch können sie auch für skeptische Christen wieder zu Worten des Lebens werden.

Ihren vollen Sinn erhalten diese Aussprüche durch die Auferstehung. Der Tod konnte Jesus - das Wort Gottes - nicht zum Schweigen bringen; vielmehr haben seine Worte das Schweigen des Grabes gebrochen. Deshalb können wir uns von ihnen tragen lassen, ist Radcliffe überzeugt, "was auch immer uns bevorsteht: Scheitern, Verlust, Schweigen und Tod".

Wenn wir keine Worte haben, können wir die Worte Jesu nehmen

An keinem Wort lässt sich das so deutlich zeigen wie an Jesu Aufschrei: "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" Dieser Ausdruck von Verzweiflung und Gottferne bildet den Höhepunkt der letzten Worte. Sein Ausruf hält die Hoffnung aufrecht, dass Gott auch dann noch anwesend ist, wenn Worte nichts mehr ausrichten können. "Wenn wir Worte der äußersten Angst aussprechen, dann erinnern wir uns daran, dass Jesus sie sich am Kreuz zu eigen gemacht hat. Und wenn wir gar keine Worte mehr haben, nicht einmal um zu schreien, dann können wir seine nehmen", schreibt der Autor.

Er berichtet weiter, dass es ihm in Ruanda so ergangen sei, wo er Augenzeuge des Völkermords geworden ist. Das ist charakteristisch für seine Meditationen: Er untermauert sie mit seiner Lebenserfahrung. Dadurch erhalten die Gedanken eine wohltuende Bodenhaftung. Ergänzt werden sie jeweils mit dem Bild eines Kreuzes aus Radcliffes Besitz, das auf seine Weise jedes Wort erläutert.

Jesu Worte können das Schweigen brechen

Auch wenn die sieben Worte vor langer Zeit gesprochen und aufgeschrieben worden sind, gehören sie nicht der Vergangenheit an. Christus spricht sie immer noch - in uns, schreibt Radcliffe. Seine Worte enthalten das Vermächtnis, "das Schweigen über den Gräbern der Menschheit zu brechen". Sie sollten daher die Christen ermutigen, meint Radcliffe, sich allen Zweifeln an Gott zum Trotz auf ihn zu verlassen und deshalb den Mut zu haben, freimütig zu sprechen.

Timothy Radcliffes Buch ist eine anregende Einstimmung auf Ostern. Zugleich reicht es aber weit darüber hinaus, weil es Hoffnung weckt und ermutigt, gegen das Leid und die vordergründigen Fakten auf Gott zu vertrauen. Eine Lektüre, von der man auch in schweren Zeiten lange zehren kann.

 

 

Borromäusverein und Sankt Michaelsbund empfehlen für April das Buch von Timothy Radcliffe: "Jenseits des Schweigens. Die sieben letzten Worte Jesu", Herder Verlag, Freiburg i.Br. 2014, 135 Seiten, 14,99 Euro.


Quelle:
KNA