Die Copacabana gerät vor der WM ins Kreuzfeuer

Tänzer, Tod und Touristen

Nachdem es in Rios Nobelviertel Copacabana zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Favela-Bewohnern und der Polizei kam, kommen Zweifel an der Sicherheitslage an dem WM-Standort. Den Behörden scheint der seit 2008 in den Armenvierteln der Metropole vorangetriebene Befriedungsprozess zu entgleiten.

Autor/in:
Thomas Milz
Unruhen auf der Copacabana (dpa)
Unruhen auf der Copacabana / ( dpa )

Ausgerechnet Copacabana. Das Vorzeigeviertel von Rio de Janeiro soll das Herzstück der im Juni beginnenden Fußball-WM werden. Auf dem weltberühmten weißen Sand plant die FIFA ihre Public-Viewing-Party.

In den Nobelhotels wird ein Großteil der Touristen absteigen, inklusive FIFA-Funktionäre und Staatsgäste. Seit 2009 sorgt eine Befriedungstruppe der Polizei in der benachbarten Favela Pavao-Pavaozinho für Ruhe und Ordnung. Der Tod eines 25-jährigen Tänzers bringt nun Erinnerungen an längst überwunden geglaubte Zeiten zurück.

Folter und Totschlag durch die Polizei?

Am Montagabend hatten sich Polizisten und Drogengangster in der Favela einen Schusswechsel geliefert. Am Dienstagmorgen wurde dann die Leiche von Douglas Rafael da Silva Pereira entdeckt. Nach ersten Polizeiangaben war der beim TV-Sender Globo als Tänzer angestellte Mann von einer Mauer zu Tode gestürzt. Angehörige sprachen jedoch von Folter und Totschlag durch die Polizei und starteten einen Protest.

Bewohner errichteten Barrikaden und legten Feuer an den Zugängen.

Anrückende Spezialeinheiten wurden mit Steinen beworfen, Schüsse fielen; ein 27-jähriger Anwohner wurde durch einen Kopfschuss getötet. In den Straßen schlossen Besitzer in Panik ihre Läden.

Derartige Szenen gab es in Copacabana seit Beginn des Befriedungsprozesses 2008 nicht mehr. Die dortigen Favelas galten als sicher. Ein regelrechter Favela-Tourismus etablierte sich, wobei Touristen nicht nur die Elendsviertel besichtigen, sondern auch in den dort eröffneten Gästehäusern übernachten.

Am Dienstagabend fanden sich so ganze Urlaubergruppen plötzlich inmitten bürgerkriegsähnlicher Szenen wieder, rollten ihre Koffer an brennenden Barrikaden vorbei. Diese Bilder lösten in brasilianischen und internationalen Medien Schockformulierungen aus. Der britische "Telegraph" machte bereits "dunkle Schatten über der WM" aus; die Huffington Post schrieb vom "Kriegsschauplatz Copacabana".

Attacken von Drogenbanden

Zwar kommt es in "befriedeten" Favelas seit Monaten regelmäßig zu Konfrontationen, allerdings weit weg von der Copacabana. An der Peripherie häufen sich Attacken von Drogenbanden auf Polizisten; Bewohnerproteste gegen überharte Polizeiaktionen entladen sich dort in Gewalt. Ende März besetzte das Militär die Riesen-Favela Mare am internationalen Flughafen. Bis heute sollen dort Gangster bewaffneten Widerstand leisten.

Zudem wächst in den besetzten Gebieten Frust über das Ausbleiben versprochener sozialer Verbesserungen. Viele Bewohner verlassen im Gegenteil bereits die Favelas, da dort die Lebenshaltungskosten explodieren. Gleichzeitig wächst besonders für die Armenviertel der Südzone der Hunger des Immobilienmarktes auf Grundstücke mit Meeresblick. Anfang April räumte die Polizei eine neu entstandene Favela, in der Familien Unterschlupf suchten, die durch hohe Mieten aus befriedeten Gebieten vertrieben worden waren. Seitdem kampieren Hunderte obdachlos gewordene Familien vor öffentlichen Gebäuden.

Bislang war die Copacabana von all dem verschont. Nun steht der Konflikt auch hier vor der Haustür. Rios Sicherheitssekretär Jose Maria Beltrame wiegelte am Mittwoch ab; die Unruhen in Pavao-Pavaozinho seien lediglich auf Störmanöver von "vier bis fünf Drogenkriminellen" zurückzuführen. Zugleich musste er aber einräumen, dass der Tänzer Douglas doch nicht von der Mauer gefallen, sondern erschossen worden sei. Gegen zehn Polizisten der Befriedungstruppe werde ermittelt. Auch in der Nacht zum Donnerstag patrouillierten Sicherheitskräfte in den Straßen der Copacabana - 49 Tage vor Beginn der WM.


Quelle:
KNA