Der Mann mit der polnischen Flagge am Rucksack hat das Gesicht in den Händen verborgen. Betend kniet er auf dem Straßenpflaster am Anfang der Via della Conciliazione, die auf den Petersdom zuläuft. Das Dröhnen der Hubschrauber und die singenden südamerikanischen Teenager direkt neben ihm stören ihn nicht.
Rom erlebt erneut ein großes Völkerfest. Zwischen mexikanischen, thailändischen und europäischen Fahnen tanzt eine Gruppe in afrikanischer Tracht, versuchen einige Schotten im Kilt, sich weiter nach vorn zu schieben. Doch es gibt kein Durchkommen. Viele hier stammen aus Bergamo, der Heimatregion von Johannes XXIII. Und natürlich sind besonders viele Polen angereist, um ihren Papst zu feiern. Noch in den frühen Morgenstunden rollten Busse in die Stadt.
Bernhard Koch war ein junger Mann, als Kardinal Karol Wojtyla 1978 Papst wurde. "Sein Pontifikat hat mein halbes Leben begleitet. Ich zähle mich zur 'Generation Johannes Paul II.'", sagt der Deutsche.
Für ihn war er "der erste globalisierte Papst", der die Botschaft seines Glaubens bis in den hintersten Winkel des Planeten getragen hat. Manche aus Kochs Stuttgarter Pilgergruppe haben sich schon um fünf Uhr morgens angestellt, um einen guten Platz zu ergattern.
Ursula Binder, Pilgerbeauftragte des Bistums Rottenburg-Stuttgart, verbindet auch viel mit Johannes XXIII., dem "guten Papst": "Wenn ich mal mit meinem Leben unzufrieden war, habe ich oft an diesen Satz von ihm gedacht: 'Johannes, nimm dich nicht so wichtig'."
Kurz vor Beginn der Feier brandet plötzlich Applaus auf. Gestützt auf seinen Privatsekretär Erzbischof Georg Gänswein tritt der emeritierte Papst Benedikt XVI. aus dem Petersdom. Als einer der engsten Mitarbeiter von Johannes Paul II. hat der 87-Jährige die Einladung seines Amtsvorgängers Franziskus angenommen. So wird es ein "Tag der vier Päpste".
"Seit vielen Jahren fahre ich nach Rom, aber das wird es in meinem Leben nie mehr geben", meint die Pilgerbeauftragte Binder. Ein bisschen traurig sei sie, dass der deutsche Papst an den Postkartenständen und Souvenirläden kaum noch vertreten sei - anders als die beiden Vorgänger, die bald nach Beginn der Messe von Franziskus heiliggesprochen werden. Darauf folgt langer Jubel der Hunderttausende.
Karolina und Mateusz, beide Mitte zwanzig, sind erst in der Nacht mit einer Gruppe aus der Nähe von Danzig angekommen. Die fast 30-stündige Busfahrt hat Spuren in den Gesichtern hinterlassen. Geschlafen haben sie kaum. "Für uns Polen ist Johannes Paul schon lange heilig. Er hat mehr für unsere Freiheit getan als Gorbatschow", sagt der junge Mann.
Mit den Erzählungen über die sensationellen Solidaritätsbesuche des Papstes in der Solidarnosc-Zeit sind beide aufgewachsen. "Die vielen Polen hier wollen vor allem eines: noch einmal Danke sagen."
Dawid hofft nebenbei auf einen kleinen Gewinn. Aus Warschau hat er einen Koffer mit Zwei-Zloty-Sondermünzen mitgebracht und nun auf einem kleinen Campingtisch hinter der Engelsburg ausgebreitet: Zwei Euro nimmt er für die Kupferstücke im Wert von knapp 50 Cent. Da gibt es bei diesem Großereignis ganz andere Profitspannen. "Alitalia hat die Preise sogar noch nach der Ticketbuchung erhöht", berichtet Pfarrer Mike Netzler, der mit 30 Leuten aus seiner Gemeinde im westfälischen Marl an den Tiber geflogen ist.
Die Geschäftemacherei der Airline und der Hoteliers habe seine Gruppe aber nicht so abgeschreckt wie die Menschenmassen vor dem Petersdom.
Deshalb haben die Westfalen das Geschehen vor der Basilika Santa Maria Maggiore verfolgt, an einem jener Großbildschirme, die an mehreren großen Plätzen der Innenstadt aufgebaut waren. "Um uns toste der Verkehr - aber alle haben sich ganz auf die Messe konzentriert", sagt der junge Geistliche. "Sogar die Kommunion haben sie hier ausgeteilt."