Evangelische Kirche: Endlich ein überzeugender Bundespräsident

Der gute Hirte aus Bellevue

Die evangelische Kirche in Westfalen lobt die kritischen Worte von Bundespräsident Gauck in der Türkei. Gelassen blickt Pastor Albert Henz auf die Retourkutsche von Premier Erdogan. Letzterer hatte Gauck als Pastor abgetan.

Gauck (l) und Erdogan (dpa)
Gauck (l) und Erdogan / ( dpa )

domradio.de: Erdogan nannte Gaucks Äußerungen am Dienstag eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Türkei. "Der deutsche Staatspräsident denkt wohl, er sei immer noch ein Pastor", so reagierte der türkische Premier Erdogan auf die Kritik des deutschen Bundespräsidenten.  Was sagen Sie zu den aktuellen Äußerungen von Premier Erdogan?

Pastor Albert Henz (Theologischer Vizepräsident der Evangelischen Kirche von Westfalen): Sie verschärfen noch einmal das Bild, was man von ihm leider immer mehr gewinnen muss. Ich empfinde als Pastor bezeichnet zu werden nach wie vor als einen Ehrentitel und wenn unser Bundespräsident so bezeichnet wird, dann empfinde ich das als Kompliment. Als Pastor hat er eine Hirtenfunktion und eben auch Gefahren für die ihm anvertrauten Menschen zu wehren. Das hat er im Übrigen als Bundespräsident und Politiker genauso, und dass uns die Ereignisse in der Türkei, was demokratische Entwicklungen anlangt auch  mit Sorge nur erfüllen können, ist für mich ganz eindeutig. Das musste er ansprechen, da sind andere Politiker manchmal viel zu vorsichtig. Im Übrigen weilt im Augenblick gerade die Präses unserer Landeskirche mit einer Kirchenleitungsdelegation in der Türkei und hat mit engagierten Demokraten genau das gleiche Thema besprochen.

domradio.de: Eignet sich der Begriff "Pastor" - hier ja wohl auch gebraucht im Sinne eines "Moralpredigers" denn überhaupt als Schimpfwort?

Pastor Henz: Aus meiner Sicht tut er das nicht. Imame sind Staatsangestellte in der Türkei und Erdogan ist das natürlich gewohnt, dass es da keine Trennung von Kirche und Staat gibt und von daher kann er einen ganz anderen Einfluss auf diese Menschen ausüben. Ich hab eigentlich selten erlebt, dass der Begriff des Pastors bei uns negativ belegt ist, was er meint, das kenne ich mehr aus Äußerungen, die das Wort predigen abflachen: "Das habe ich Dir doch schon so oft gepredigt". Es zeigt auch eine mangelnde Kenntnis dieses Begriffs und der Situation.

domradio.de: Ist es nicht in Gesellschaft und Politik immer wieder notwendig, sich ermahnen zu lassen?

Pastor Henz: Ich halte das für geboten, denn es geht um das Wohl und die Entwicklung der Möglichkeiten der Menschen dort. Wir haben viel zu oft erlebt, dass Politiker bei ihren Reisen diese Themen verschweigen, weil sie wirtschaftliche Handelsinteressen an die oberste Stelle setzen. Es ist natürlich auch ein Baustein einer neuen Form von Diskussion, die wir vielleicht schon für überwunden hielten, die im Moment an mehreren Stellen dieser Erde wieder aufbricht und die in der Summe der Entwicklungen eine friedensgefährdende Entwicklung ist. All das ist natürlich Anlass genug diese Dinge kritisch anzusprechen und hier auf die Verantwortung, die natürlich ein Staatsmensch in der Türkei hat, hinzuweisen. Ich glaube, das ist man sich geschwisterlich und um der Menschenwillen schuldig.

domradio.de: Es ist auch in Deutschland so gewesen, dass Bundespräsident Gauck auf seine ehemalige Funktion zurückgeworfen wurde und seine Reden als zu kanzelhaft wahrgenommen worden sind. Was können die Kirchen - was kann eigentlich jeder Christ konkret dafür tun, dass moralische Appelle für wichtig und richtig erachtet werden. Was könnte dazu beitragen, dass "Pastor" ein Ehrentitel bleibt?

Pastor Henz: Man muss sehen, wer sich da äußert. Das sind gelegentlich Leute, denen gewisse Aussagen des Herrn Gauck politisch gerade nicht passen. Überwiegend glaube ich, ist die Wahrnehmung aber doch die, dass wir nun seit längerem endlich wieder einen Bundespräsidenten haben, der in der Art seiner Rede, die er natürlich aus einer Schulung als Pastor mitbringt, überzeugen sprechen, Menschen bewegen und motivieren kann. Und dass da kein Technokrat steht, sondern jemand, der für eine Werthaltung steht, die unser Land und Europa nach wie vor prägt. Das ist eine Figur, die hat etwas zu sagen. An so einer Figur kann man sich immer auch reiben. Insofern wäre ich da relativ gelassen. Ich glaube, dass das Positive in der Wahrnehmung ganz deutlich überwiegt.

Das Interview führte Daniel Hauser


Quelle:
DR