Der scheidende BDKJ-Bundesvorsitzende Dirk Tänzler im Interview

"Den Finger in die Wunde legen"

Der scheidende BDKJ-Vorsitzende, Dirk Tänzler, vermisst in der Kirche nach wie vor den Raum für kritische Worte. Im Interview bilanziert er seine Zeit als Vertreter der katholischen Jugend.

Dirk Tänzler (BDKJ)
Dirk Tänzler / ( BDKJ )

KNA: Herr Tänzler, welche Themen stehen bei der Arbeit des BDKJ im Vordergrund?

Tänzler: Das Motto des BDKJ lautet "katholisch - politisch - aktiv". Uns geht es nicht nur darum, innerkirchlich aktiv zu sein, sondern auch nach draußen zu gehen, uns in gesellschaftliche Prozesse einzumischen. Da ist alles rund um die Generationengerechtigkeit wichtig, zum Beispiel die Frage nach einem gerechten Rentensystem und nach ökologischem Wirtschaften.

KNA: Und welche Themen sind innerkirchlich wichtig?

Tänzler: Wir wollten immer zeigen, dass junge Menschen Kirche mitgestalten und Kirche leben. Ich glaube aber, dass die Kirche sich immer wieder anschauen muss, wie die Lebenswirklichkeiten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen aussehen. Die Frage von Partnerschaft vor der Ehe ist ein großes Thema, auf das sich die Kirche ausrichten muss. Nicht nach dem Zeitgeist, aber sie muss Antworten finden, wie sie damit umgeht.

KNA: Sex vor der Ehe - kein einfaches Thema innerhalb der katholischen Kirche.

Tänzler: Auftrag von katholischer Jugendverbandsarbeit ist es auch immer, den Finger in die Wunde zu legen. Da eckt man natürlich schon mal an. Was das Thema Sex und Beziehung angeht: Die Vatikanumfrage hat nur deutlich gemacht, wie meilenweit die kirchliche Lehre zum Teil von der Lebensrealität der Menschen entfernt ist. Und insgesamt ist es in Teilen der Kirche leider immer noch nicht selbstverständlich, Kritik offen zu äußern und auch in einen konstruktiven Diskurs zu gehen. Aus Sicht mancher Bischöfe und einiger Vertreter anderer katholischer Institutionen waren wir da vermutlich manchmal insgesamt zu laut und zu stark. Aber das ist auch die Rolle der Jugend: Motor für Veränderung zu sein.

KNA: Dient das denn der Sache?

Tänzler: Natürlich. Darum geht es ja. Ich finde das nicht schlimm. Die Frage ist, wie man mit Konflikten umgeht. Im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und in der Deutschen Bischofskonferenz haben wir da insgesamt zu einem guten Umgangston gefunden. Ich bin fest überzeugt, dass das Bekanntwerden der Missbrauchsfälle unsere kirchliche Streitkultur weiter verändert.

KNA: Am Wochenende wird ihr Nachfolger gewählt. Mit welchem Gefühl gehen Sie in die BDKJ-Hauptversammlung?

Tänzler: Die Arbeit im BDKJ und für die katholische Jugend ist einzigartig. Deswegen werde ich schon wehmütig sein. Gleichzeitig bin ich dankbar für das, was ich erleben und gestalten durfte, aber auch für das, was ich manchmal aushalten musste. Das ist etwas, das dieses Amt ausmacht: Dass es mehr ist als ein simpler Job.

KNA: Wie geht es für Sie beruflich weiter?

Tänzler: Das kann ich im Moment noch gar nicht sagen. Ich werde erstmal durchzuschnaufen und in Ruhe überlegen, was ich machen will. Die Zeit im BDKJ hat unterschiedliche Qualitäten gefördert, die ich weiter einbringen möchte, gerne auch an der Schnittstelle zwischen Kirche und Politik.

Das Interview führte Elisabeth Rahe


Quelle:
KNA