Kaum ein Wochenende vergeht ohne rassistische Gesten in Fußballstadien. Zuletzt schleuderte am Sonntag in Italien ein Fan des Vereins Atalanta Bergamo einem dunkelhäutigen Spieler des AC Mailand eine Banane entgegen. Zwei Wochen zuvor machte der brasilianische Nationalspieler Daniel Alves mit seiner Antwort auf eine ähnliche Schmähattacke Furore: Der Spieler des FC Barcelona hob die Banane auf und aß sie. Die beherzte Reaktion warf ein Schlaglicht auf das massive Rassismus-Problem im Weltfußball und löste insbesondere im WM-Land Brasilien eine Kampagne dagegen aus.
WM als Podium gegen Diskriminierung
Sogar Präsidentin Dilma Rousseff lobte Alves' Vorgehen und versprach, die in einem Monat beginnende Weltmeisterschaft zu einem Podium gegen Diskriminierung zu machen. Auch im Gastgeberland sind Attacken gegen afrobrasilianische Spieler oder Schiedsrichter an der Tagesordnung. Dunkelhäutige werden als "Affen" beschimpft, mit Affenlauten verunglimpft oder als schwul bezeichnet und ausgebuht.
Kürzlich demolierten Fans im südlichen Bundesstaat Rio Grande do Sul das Auto eines Schiedsrichters und bedeckten es mit Bananenschalen.
Gesetz gegen Rassismus im Stadion
"Rassismus bei Fußballspielen gibt es schon lange. Wir müssen jetzt endlich ein Zeichen setzen und auch juristisch dagegen vorgehen," erklärte der Bundesabgeordnete Alceu Moreira. Er brachte vergangenen Monat ein Gesetz gegen rassistische Umtriebe in Fußballstadien ein, das nach dem Zwischenfall mit Alves nun schnell verabschiedet werden soll. Der Entwurf sieht Haftstrafen für diskriminierende Äußerungen vor und macht auch die Clubs für das Fehlverhalten ihrer Fans verantwortlich. "Das Schlimme ist, dass ein großer Teil der rassistischen Taten von Fans ausgeht, die Mitglieder in den Vereinen sind," beklagte Moreira.
Botschaft des Papstes gegen Diskriminierung
Präsidentin Rousseff unterstützt die Initiative. Wenige Wochen vor Beginn der WM hat sie dem Rassismus den Kampf angesagt. "Daniel Alves hat allen Brasilianern aus der Seele gesprochen," sagte sie und kündigte an, dass auch der Papst zum Eröffnungsspiel am 12. Juni eine Botschaft gegen Diskriminierung übermitteln werde.
Die Nachfahren der Sklaven, die in Brasilien gut die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, haben es in dem Fußball-Land noch nie leicht gehabt. Diskriminierung und Ausgrenzung prägen den Alltag, die Mehrzahl des Bewohner von Armenviertel sind Afrobrasilianer. Auch der Polizei, die während der WM für Sicherheit sorgen soll, werden rassistische Tendenzen vorgeworfen.
Mehr als die Hälfte aller Profispieler dunkelhäutig
Im Fußball waren Schwarze zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht einmal zugelassen, der englische Ballsport war Sache der Weißen und Reichen. Nur zögerlich engagierten die Vereine auch schwarze Profispieler. Doch die Hautfarbe blieb ein Manko. Bis heute bekannt ist der Fall von Carlos Alberto, der sein Gesicht mit weißem Puder schminkte, um als gleichwertiger Spieler anerkannt zu werden. Durch den Aufstieg von Weltstars wie Pelé war es von den 50er-Jahren nicht mehr möglich, die wichtige Rolle der Afrobrasilianer im Nationalsport zu leugnen. Heute sind weit mehr als die Hälfte aller Profispieler dunkelhäutig.
Diskriminierung auch außerhalb des Fuballs
"Bisher hat sich Brasilien immer als Opfer rassistischer Anfeindungen gesehen, vor allem seitens des Erzrivalen Argentinien oder der europäischen Fans," erklärte der Sportsoziologe Marcel Diego Tonini von der Staatlichen Universität in São Paulo. Erst langsam werde den Brasilianern bewusst, dass es in ihrer Heimat nicht besser sei als anderswo. "Der Rassismus in den Stadien ist nur Ausdruck der Diskriminierungen, die in anderen Bereichen der Gesellschaft herrschen," sagte Tonini.
Über den Umgang mit Rassismus
Die Regierungskampagne gegen den Rassismus findet Anklang in der Bevölkerung, anders als andere umstrittene Aspekte der WM wie die hohen Ausgaben für den Stadionbau. Dennoch wird es nicht einfach sein, rassistische Sprüche aus den Fußball-Arenen zu verbannen.
Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari beispielsweise hält die Debatte für überflüssig: Es sei Unsinn, Rassismus zu diskutieren, sagte er vor kurzem. "Bestrafen bringt nichts, wir sollten diese unverbesserlichen Leute lieber ignorieren." Kritiker äußerten sich empört - solche Bemerkungen kämen nur von Leuten, die nicht Tag für Tag mit Diskriminierung konfrontiert seien.