epd: Der Katholikentag in Regensburg ist der erste in der Amtszeit von Papst Franziskus, wie macht sich das bemerkbar?
Glück: Eine wichtige Orientierung durch Franziskus ist es, dass er entschieden gegen die Selbstbezogenheit der Kirche Stellung bezogen hat. Kirche ist kein Selbstzweck. Es geht darum, Glaube in gesellschaftliches und politisches Handeln umzusetzen. Das konkretisiert sich in der Solidarität mit den Armen oder in Fragen der Gerechtigkeit, die Papst Franziskus in seinem Schreiben "Evangelii Gaudium" thematisiert hat. Das trifft und aktualisiert voll die Zielsetzungen in der Tradition der Katholikentage.
epd: Mit dem Fragebogen zu Ehe und Familie, den der Vatikan als Vorbereitung der Bischofssynode im Herbst verschickt hat, hat in Deutschland die Problematik der wiederverheirateten Geschiedenen wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen. Was erhoffen Sie sich hier?
Glück: Unsere Hoffnung und Erwartung ist, dass ein Weg gefunden wird, mit dem die Unauflöslichkeit der Ehe nicht infrage gestellt, aber gleichzeitig Geschiedene in neuen Beziehungen, die am Leben der Kirche teilnehmen wollen, einen Zugang zu den Sakramenten bekommen. Papst Franziskus betont, dass die Sakramente nicht Belohnung sind, sondern Hilfe und Begleitung auf dem Weg. Wir hoffen, dass dafür ein Weg bei der Bischofssynode im Herbst gefunden wird. Die Spannung, die diese Problematik mit sich bringt, wird sicher bei verschiedenen Veranstaltungen auf dem Katholikentag präsent sein.
epd: Die Stadt Regensburg hat historische Bedeutung durch die Religionsgespräche, die dort im 16. Jahrhundert sowie zu Beginn des 17. Jahrhunderts stattfanden. Auf dem Reichstag 1541 wurde etwa über eine Einigung zwischen Protestanten und Katholiken beraten. Welche Bedeutung hat dieses Datum für den Katholikentag?
Glück: Regensburg hat eine lange Tradition in der Ökumene. Beim Katholikentag hat die Ökumene heute selbstverständlich einen starken Akzent. Die Ökumene und der Dialog der Religionen sind heute wichtig. Es ist zutreffend, was Hans Küng einmal so formuliert hat: "Kein Frieden unter den Völkern ohne Frieden zwischen den Religionen!" Wir haben als Religionsgemeinschaften hier eine besondere Bringschuld.
epd: Im Programmheft des Katholikentages sind auch mehrere Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum 2017 angekündigt.
Glück: Gegenwärtig wird noch überlegt und geplant, wie sowohl auf evangelischer als auch auf katholischer Seite dieses Jahr gestaltet werden kann. Für die Glaubwürdigkeit der Christen in der modernen Gesellschaft ist es außerordentlich wichtig, wie wir gemeinsam auf dieses Jahr zugehen. Beim Katholikentag werden wir erörtern, was Reformation bedeutet, welche Wirkung sie hatte und welche Rolle sie heute spielt. Es geht darum, uns mit dem Ereignis der Reformation vertraut zu machen. Auf dem mitunter mühseligen Weg der Ökumene müssen wir uns immer wieder den Auftrag Jesu Christi vergegenwärtigen, uns um die Einheit zu bemühen. Damit ist Ökumene nicht ein "Wahlfach" sondern ein "Pflichtfach" der Christen.
epd: Angela Merkel kommt zum Katholikentag, ebenso Bundespräsident Joachim Gauck und Innenminister Thomas de Maizière. Die Reihe der protestantischen Politiker, die als Gäste nach Regensburg kommen, lässt sich fortschreiben. Wünschen Sie sich mehr Katholiken in der Politik?
Glück: Das hat in Deutschland immer geschwankt: Es gab Zeiten, in denen Katholiken diese Spitzenpositionen besetzt haben. Jetzt sind von den drei Spitzenämtern - Bundespräsident, Bundeskanzlerin und Bundestagspräsident - zwei von evangelischen Christen besetzt. Das sehe ich aber nicht als Rivalitätsverhältnis. Unsere größere Sorge ist, dass aus beiden kirchlichen Gemeinschaften nicht mehr genügend junge Menschen ins öffentliche Leben gehen. Die Wirksamkeit unserer Wertvorstellungen im gesellschaftlichen und politischen Leben wird auf Dauer entscheidend davon abhängen, ob es genügend Menschen gibt, die im Spannungsfeld einer säkularen Gesellschaft bereit sind, sich zu engagieren.
epd: Wie soll der Katholikentag in den öffentlichen Raum hineinstrahlen?
Glück: Es muss uns gelingen, Markierungspunkte zu setzen, etwa bei Fragen zum Schutz des Lebens, zur Würde im Alter und Würde im Sterben sowie zur Sterbehilfe. Der Katholikentag findet zudem wenige Tage nach der Europawahl statt. Angesichts der Entwicklungen in Europa wird der europäische Einigungsprozess und auch die Frage der Wertegrundlagen Europas eine neue Aktualität haben für den Katholikentag.