Karlsruher Verfassungsgespräch nimmt Familien in den Blick

Poröse Strukturen

Kaum ein Thema spaltet die Gesellschaft so wie Ehe und Familie. Bundesverfassungsgerichtspräsident Andreas Voßkuhle lud nun hochrangige Vertreter aus Kirche und Politik zum  Verfassungsgespräch nach Karlsruhe. Für die katholische Kirche dabei: Reinhard Kardinal Marx.

Autor/in:
Michael Jacquemain
Homosexuelles Paar (dpa)
Homosexuelles Paar / ( dpa )

Homo-Ehe, Patchwork-Familie, Ehegattensplitting, Sukzessiv-Adoption - nur einige Schlagworte aus Debatten der letzten Wochen und Monate. Und in aller Regel kochen bei solchen Diskussionen die Emotionen hoch. Das Verfassungsgespräch stand nun passenderweise unter dem Titel "Gesellschaft im Umbruch: Wieviel Schutz brauchen Ehe und Familie?

Voßkuhle hält dabei die Frage der Gleichbehandlung der Ehe mit anderen Partnerschaftsformen nicht wirklich für ein drängendes gesellschaftliches Problem. Er halte es für wichtiger, dass es insgesamt eine sinkende Bereitschaft gebe, überhaupt auf Dauer angelegte feste Bindungen einzugehen. Zudem nähmen "Bereitschaft oder Fähigkeit ab, diese Partnerschaften auch tatsächlich dauerhaft aufrecht zu erhalten".

Steit um Familienmodelle

Bei allem Streit über die "richtigen" Formen seien die Menschen vereint in der Einschätzung der Bedeutung von Familie für das Miteinander und die Zukunft der Gesellschaft, so Voßkuhle. Gespalten dagegen seien die Bundesbürger in der Frage, ob der Gesetzgeber bestimmte Familienmodelle fördern oder gar regelnd eingreifen dürfe oder ob er sich in Toleranz gegenüber der Pluralität der Lebensformen zurückhalten solle."

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, betonte, es gebe "keinen Ersatz für die Familie". Wenn Familienstrukturen porös würden, habe dies "verheerende Konsequenzen" für die gesamte Gesellschaft. Der Münchner Erzbischof wandte sich gegen die Möglichkeit, dass gleichgeschlechtliche Paare Kinder adoptieren dürfen. Die "Geschlechterdifferenz" von Mutter und Vater sei bedeutsam. Zentrale Perspektive bei der Adoption müsse das Kindeswohl sein.

Ehegattensplitting in der Kritik

Darin stimmte Marx mit dem rechtspolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, überein. In der Realität aber könne es, so Beck, auch sein, dass ein Kind in einer heterosexuellen Beziehung und ein anderes bei einem homosexuellen Paar besser aufgehoben sei. Internationale Studien über Regenbogenfamilien kämen zum Ergebnis, dass Kinder mit schwulen oder lesbischen Eltern so intelligent, emotional gebildet und im selben Maß homosexuell veranlagt seien wie andere Jungen und Mädchen.

Ähnlich äußerte sich der evangelische Kirchenpräsident von Hessen und Nassau, Volker Jung. Er ist Mitverfasser der familienpolitischen Denkschrift des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), in der eine Erweiterung des Familienbegriffs verlangt wird. Jung sprach sich ebenso wie Beck dafür aus, das Instrument des steuerlichen Ehegattensplittings "umzugestalten". Es gehe um Familienförderung, und deshalb müssten auch Alleinerziehende davon profitieren. Familien, so Jung, brauchten "vernünftige Bedingungen und keine moralischen Appelle".

Adoption nur für Heteros

Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) warnte vor einer Gesellschaft, in der immer mehr Jungen und Mädchen ohne männliche Bezugsperson aufwüchsen. Aus ihrer Sicht soll eine Adoption Heterosexuellen vorbehalten bleiben. Sie wies darauf hin, dass es in Frankreich "zum guten Ton gehört, Kinder zu haben".

Wenn in Deutschland dagegen Jugendämter mit Menschen Mitte 20 zu tun hätten, habe sie das Gefühl, dass "wir ein Problem damit haben, erwachsen zu werden". Kramp-Karrenbauer plädierte für ein Klima in der Gesellschaft, in der Menschen als "soziale Wesen mit Familienbindung" wahrgenommen würden.

Die Ministerpräsidentin sieht übereinstimmend mit Marx, Beck und Jung einen großen Nachholbedarf bei der Frage der Vereinbarkeit von Familie und Pflege. Aus Sicht von Marx gilt es, sich auf einen bevorstehenden Umbruch vorzubereiten. Beck kritisierte ebenfalls ein "schlechtes System für Menschen, die sich für die Pflege von Angehörigen" entschieden. Jung forderte mehr Netzwerke für Pflege; Familien allein schafften es nicht.


Familie beim Spaziergang (dpa)
Familie beim Spaziergang / ( dpa )
Quelle:
KNA