Beim Katholikentag verspricht Bischof Ackermann weitere Schritte

Das Misstrauen nach dem Missbrauch bleibt

Vier Jahre schon ringt die katholische Kirche in Deutschland mit dem Missbrauchsskandal. Auch auf dem Katholikentag in Regensburg stand das Thema wieder auf der Tagesordnung.

Autor/in:
Ludwig Ring-Eifel
Bischof Ackermann in Regensburg (KNA)
Bischof Ackermann in Regensburg / ( KNA )

Nimmt man die Zahl der Zuhörer als Maßstab, scheint das Thema an Brisanz eingebüßt zu haben. Einige hundert Menschen lauschten in dem nicht ganz gefüllten Kolpingsaal den Ausführungen der bekanntesten Arbeiter auf diesem steinigen Feld. Neben Mertes sind das der Missbrauchsbeauftragte der Bischofskonferenz, Bischof Stephan Ackermann, und Matthias Katsch, Sprecher der Opfervereinigung "Eckiger Tisch". Auch die Sprecherin der Präventionsbeauftragten der Deutschen Diözesen, Mary Hallay-Witte, und die bayerische Präventionsexpertin Barbara Haslbeck debattierten mit. Die beiden stehen dafür, dass die Vorbeugung neuer Fälle inzwischen in den Vordergrund gerückt ist.

"Kirche auf dem Weg zu einer Kultur der Achtsamkeit?" hieß das Thema im Kirchendeutsch. Übersetzt bedeutet es etwa: "Wie verhindert die Kirche künftig Missbrauchsfälle?" Den Aufschlag machte der mit Beifall gefeierte Jesuit Mertes, der in fünf Punkten darlegte, was seiner Meinung nach geschehen muss, damit sexualisierte Gewalt in der Kirche in all ihren Dimensionen aufgespürt und das Übel an der Wurzel gepackt werden kann. Dabei formulierte er eingängige Sätze wie: "Wie kann ich verhindern, dass ich selbst ein Weggucker werde?". Und er lenkte den Blick auf rechtsfreie Räume unter Jugendlichen, da es mittlerweile auch zwischen Minderjährigen zu sexueller Gewalt kommt. Diese Räume müsse die Kirche in ihren Einrichtungen "aufbrechen".

Opfer: Zögerlicher Fortschritt bei Aufklärung und Prävention

Opfer-Sprecher Katsch beklagte den zögerlichen Fortschritt bei Aufklärung und Prävention in der Kirche und dankte Papst Franziskus dafür, dass dieser mit seiner Ankündigung eines Opfertreffens Schwung in die Debatte bringe. Von den Bischöfen erwarte er einen "strukturierten Dialog" mit den Opfern. Er forderte "Eckige Tische" in allen Bistümern, an denen Betroffene und Amtsträger miteinander reden. Die Präventionsbeauftragten sollten mit diesen Gruppen verknüpft sein und von ihnen lernen. Den Vorschlag übergab er in schriftlicher Form an Ackermann.

Scharf attackierte Katsch den Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Müller. Er finde es schwer erträglich, dass an der Spitze des obersten Kirchengerichts in Sachen Missbrauch jemand sitze, der sich einst als Bischof mit der Verfolgung der Täter schwergetan habe. Ferner forderte Katsch eine Null-Toleranzlinie nach nordamerikanischem Vorbild: "Wer Kinder oder Jugendliche sexuell missbraucht hat, darf nicht mehr Priester dieser Kirche sein!", rief er unter großem Beifall.

Bischof Ackermann: Klarer Kurs

Bischof Ackermann nahm seinen Amtsbruder Müller gegen die Vorwürfe in Schutz und bescheinigte ihm eine konsequente Fortsetzung des unter Papst Benedikt XVI. eingeschlagenen klaren Kurses. Insgesamt seien über 2.000 Priester weltweit wegen Missbrauchs laisiert worden.

Zugleich verteidigte Ackermann das differenzierte Vorgehen der deutschen Bischöfe und erklärte, auch die Täter hätten ein Recht auf faire Verfahren und Urteile. Er verteidigte diese Position gegen Unmutsbekundungen aus dem Publikum. Zu fragen sei auch, was nach dem verbüßen der Strafe aus einem Täter werde. Buhrufe erntete Ackermann, als er mutmaßte, die Kirche sei beim Missbrauchsphänomen vermutlich "normaler als manche denken". Sie sei in dieser Beziehung nicht "reiner" als andere Institutionen, aber auch nicht anfälliger, was die relative Zahl der Fälle angehe, sagte er.

Einig waren sich alle Diskutanten, dass ein Schlüssel zur Aufklärung und Vorbeugung in der Überwindung der schambesetzten Sprachlosigkeit in sexuellen Dingen liege. Hier habe die öffentliche Debatte vieles zum Positiven verändert. Nimmt man die Stimmung im Regensburger Kolpingsaal als Indikator, bleibt der Weg bis zur Überwindung der innerkirchlichen Vertrauenskrise dennoch weit.


Quelle:
KNA