domradio.de: Präsident Assad gab lächelnd seine Stimme im Fernsehen ab. Das Staatsfernsehen suggerierte dabei eine gewisse Normalität. Aber normal ist doch in Syrien im Moment gar nichts, oder?
al-Mousllie: Es ist leider nicht normal, nein. Und man macht aus dieser Wahl ein Spiel. Das ist ein Theaterstück, das das Regime hier vorführt. Leider Gottes ist die internationale Gemeinschaft einfach ein Mitspieler in diesem Fall, sie hat nicht so viel dagegen zu melden.
domradio.de: Sie kritisieren jetzt die internationale Gemeinschaft. Was hätte die denn tun können, um diese Wahl als Farce zu entlarven?
al-Mousllie: Man hätte vielleicht von Vorneherein etwas anders damit umgehen können, schon von Beginn des Bürgerkrieges an. Wir hören jetzt von dem US-Botschafter Ford (Robert Ford, US-Botschafter in Syrien, Anm. d. Red.) in einem Interview, das gestern herauskam: Wir Amerikaner hätten eigentlich die Möglichkeit gehabt, schon von Vorneherein die moderate Opposition zu stärken und wir hätten auch viel mehr tun können. Nur sagt er natürlich jetzt, er kann die amerikanische Politik so nicht mehr verteidigen. Das heißt, die Möglichkeiten wären da gewesen, die Chancen sind verpasst worden. Dadurch ist Assad immer stärker auf dem Boden geworden. Das hat dazu geführt, dass er dieses Theater jetzt vollziehen kann - mit Unterstützung von Russland und dem Iran.
domradio.de: Wie muss man sich denn so eine Wahl mitten im Bürgerkrieg vorstellen? Konnten denn zumindest in einigen Teilen des Landes die Leute wirklich geordnet zur Wahl gehen?
al-Mousslie: Sie beantworten die Frage eigentlich schon alleine. Das ist überhaupt nicht möglich, denn die Wahlurnen wurden nur in Orten aufgestellt, wo das Regime die Kontrolle hat. Wir sprechen hier von 40 Prozent des Landes, das jetzt unter Assads Kontrolle ist. In diesen Orten lebt ungefähr 60 Prozent der Bevölkerung, das heißt, man könnte sagen, die Hälfte der syrischen Bevölkerung konnte nicht wählen. Wir wissen auch, dass das Regime die Leute gezwungen hat, in die Wahllokale zu gehen. Das hat er gemacht, indem er die Ausweise der Angestellten in den Behörden und in manchen Firmen eingezogen hat und ihnen gesagt hat, ihr bekommt eure Ausweise erst zurück, wenn ihr gewählt habt.
domradio.de: Also, auch da kann man sagen, eine freie, faire Wahl ist es nun überhaupt nicht gewesen. Ist es eigentlich nicht erstaunlich nach so langer Zeit des Bürgerkrieges, dass Assad doch im Moment relativ gefestigt wirkt, was seine Macht angeht.
al-Mousslie: Er will diesen Eindruck erwecken. Aber wir wissen genau, dass Assad nicht mehr so gefestigt ist ohne die Unterstützung des Iran und der Milizen, die eigentlich ständig nach Syrien einreisen, auch aus dem Irak und aus dem Libanon mit Hilfe der Hisbollah. Der iranische Kommandeur der republikanischen Garde hat selbst gesagt, ohne unsere Hilfe wäre das Regime schon längst gefallen. Das hat sogar zu Unstimmigkeiten geführt innerhalb des syrischen Regimes. Assad will jetzt auch mit diesen Wahlen eine Botschaft an seine Partner schicken. Er sagt damit, ich bin da noch stark, ich kann das noch durchführen, mit mir ist noch zu rechnen, weil er vielleicht auch fürchtet, dass der Iran auf ihn verzichtet. Denn auch der Iran ist zur Zeit in einer sehr schwierigen Lage. Er hat international sehr viel Druck und wird in Syrien eigentlich wirklich bis zum letzten gefordert. Der Iran möchte die Sache lösen und Assad versucht damit, seine Lage gegenüber seinen Partnern noch zu festigen, weniger gegenüber der Opposition. Wir wissen, dass er in der Bevölkerung eigentlich überhaupt keinen Halt mehr hat.
domradio.de: Sie haben schon über die Fehler gesprochen, die in der Vergangenheit von der Weltgemeinschaft gemacht wurden. Sehen Sie denn jetzt konkrete Maßnahmen, die ergriffen werden könnten, um jetzt die Situation zu verbessern?
al-Mousslie: Auch wenn man es nicht gerne hört, aber ich werde es immer wieder sagen: Wir müssen die moderate Opposition bewaffnen, wir müssen auch gezielt mit diesen Gruppierungen arbeiten, damit Assad noch mehr unter Druck gerät. Das ist die einzige Lösung, die denkbar ist. Wir haben es erlebt, als Assad im August 2013 Chemiewaffen gegen die Bevölkerung eingesetzt hat und wo 1300 Menschen getötet worden sind. Da hat er wirklich Panik gehabt, dass er schon am Ende sein könnte, weil die Amerikaner fast ernst gemacht haben und ihn militärisch angegriffen hätten. Wir müssen jetzt aber nicht von den Amerikanern oder von der westlichen Welt irgendwelche Truppen verlangen. Das wollen wir in Syrien überhaupt nicht, das muss auch nicht sein. Es reicht, wenn man Flugverbotszonen errichtet, weil das hilft, die Liftwaffen des Regimes auszuschalten. Das geht und das kann man auch machen mit einfachen Mitteln. Nur der Wille muss auch da sein.
Das Gespräch führte Mathias Peter.