"Papst Franziskus schließt sich dem unsagbaren Schmerz der Familien an, die von dieser mörderischen Gewalt getroffen wurden", erklärte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi am Montagabend in Rom. Die Tat sei ein "gravierendes Hindernis auf dem Weg zum Frieden, für den wir uns unermüdlich einsetzen müssen", sagte Lombardi. Papst Franziskus hatte vor wenigen Wochen gemeinsam mit dem damaligen israelischen Präsidenten Schimon Peres und dem Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas im Vatikan für den Frieden gebetet. Bei seiner jüngsten Nahostreise im Mai hatte er beide zu dieser Geste der Versöhnung eingeladen.
Dutzende von Explosionen
Die israelische Luftwaffe hat derweil laut Armeeangaben nach dem Beschuss mit palästinensischen Raketen in der Nacht zum Dienstag Angriffe gegen Ziele im Gazastreifen geflogen. Es seien "Präzisionsschläge" gegen 34 Ziele im Gazastreifen geführt worden, teilten die Streitkräfte am frühen Dienstagmorgen mit. Seit Sonntagabend sei Israel mit mehr als 18 Raketen beschossen worden.
Augenzeugen im Gazastreifen berichteten, überall seien Explosionen zu hören gewesen. Sicherheitsleute der radikalislamischen Hamas erklärten, es seien mehr als 25 Luftangriffe innerhalb von weniger zehn Minuten gewesen. Augenzeugen sprachen von Dutzenden von Explosionen.
Ziele seien Militäreinrichtungen der Hamas und des Islamischen Dschihad gewesen. Die Einrichtungen seien in Erwartung israelischer Luftangriffe bereits vorher evakuiert gewesen. Auch von der See habe die israelische Marine den nördlichen Gazastreifen beschossen.
Nach Angaben des medizinischen Dienstes im Gazastreifen wurden bei Chan Junis vier Menschen verletzt. Einer wurde vermisst. Im Westjordanland sei in der Nähe eines Flüchtlingslagers ein Mensch von der israelischen Armee getötet worden, berichtete das Onlineportal "Ynet" unter Berufung auf palästinensische Angaben.
Raketen auf Israel
Wenige Stunden vor den Luftschlägen waren die Leichen von drei vermissten israelischen Jugendlichen im Westjordanland gefunden worden. Palästinensische Extremisten feuerten nach der Attacke erneut Raketen auf Israel ab.
Die israelischen Luftschläge kamen nach einer Sitzung des Sicherheitskabinetts unter Vorsitz von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, bei der über eine Reaktion auf die Leichenfunde beraten wurde. Die israelische Zeitung "Haaretz" berichtete unter Berufung auf einen hohen Beamten, das Sicherheitskabinett habe keine unmittelbare Entscheidung über harte Maßnahmen getroffen. Das Gremium werde am Dienstag nach der Beerdigung der drei Jugendlichen erneut zusammentreten, sagte der Beamte diesen Angaben zufolge.
Israel hatte der radikalislamischen Hamas eine harte Reaktion angedroht. Die Leichen wurden zweieinhalb Wochen nach ihrem Verschwinden unter einem Steinhaufen auf einem Feld nordwestlich von Hebron gefunden, wie die Armee bestätigte. Die Tat sorgte weltweit für Entsetzen.
Präsident Mahmud Abbas berief nach dem Fund der Leichen eine Dringlichkeitssitzung der Palästinenserführung für Dienstag ein. Dabei solle es um die Auswirkungen der jüngsten Entwicklungen gehen, berichtete die palästinensische Nachrichtenagentur "Wafa" am Montag.
Mahnungen aus USA und Deutschland
Die Hamas beschuldigte ihrerseits Israel, den Tod der drei Jugendlichen für weitere Militäraktionen gegen die Palästinenser zu benutzen. "Wir weisen alle israelische Unterstellungen und Drohungen gegen uns zurück", hieß es in einer Erklärung der Hamas. Keine palästinensische Gruppe - auch nicht die Hamas - habe sich zu der Aktion bekannt. Israel wirft der radikalislamischen Palästinenserorganisation vor, hinter der Entführung der Jugendlichen am 12. Juni zu stehen. Die Jugendlichen wurden offenbar schon kurz nach der Entführung erschossen. Ihre Leichen wurden nur wenige Kilometer entfernt von dem Ort gefunden, an dem sie zuletzt gesehen worden waren. Die Jagd nach den Entführern dauere noch an, berichteten israelische Medien. Der Geheimdienst hat zwei Hamas-Mitglieder als Tatverdächtige genannt. Nach Medienberichten drang die Armee am Montagabend in die Häuser von zwei Verdächtigten in Hebron ein. Laut palästinensischen Angaben, die "Haaretz" zitierte, sprengten die Soldaten die Gebäude, nachdem die Familien die Häuser verlassen mussten.
US-Präsident Barack Obama verurteilte die Ermordung der drei Jugendlichen im Alter von 16 bis 19 Jahren auf das Schärfste. Obama bezeichnete die Tat als "sinnlosen Terrorakt gegen unschuldige Jugendliche" und sprach den Familien der drei Teenager sein tiefstes Mitgefühl aus.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte eine Kooperation der Ermittler. Er hoffe, israelische und palästinensische Behörden würden zusammenarbeiten, um die Täter so rasch wie möglich zu fassen, erklärte Ban in New York. Der Mord sei ein heimtückischer Akt der Feinde des Friedens und solle den Konflikt vertiefen und Misstrauen verstärken. "Das darf keinen Erfolg haben."
Graumann: Schockiert
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, ist "persönlich zutiefst schockiert" und fassungslos nach dem Mord an drei israelischen Jugendlichen. Die Leichen der seit dem 12. Juni vermissten Religionsschüler im Alter von 16 bis 19 Jahren waren unter einem Steinhaufen auf einem Feld bei Hebron im Westjordanland gefunden worden, wie israelische Sicherheitsbeamte am Montagabend mitgeteilt hatten.
"Drei völlig unschuldige junge Menschen sind Opfer von brutalen und bösartigen Terroristen geworden", sagte Graumann in seiner Stellungnahme weiter. Er hoffe, dass die Entführer und Mörder bald gefasst und bestraft würden. "Der Terrorismus der Hamas, die nun sogar Teil der fatalen Einheitsregierung auf palästinensischer Seite ist, erweist sich wieder einmal als Quelle von Hass und Mord und muss entschlossen bekämpft werden."
Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats, Charlotte Knobloch, sprach vom "Ergebnis einer unfassbar hasserfüllten Ideologie, die ganz offensichtlich nicht bekämpft wird" und forderte "die sofortige und entschlossene Reaktion der internationalen Staatengemeinschaft".
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel reagierte schockiert auf die Nachricht vom Tod der drei israelischen Jugendlichen: "Es handelt sich um eine verabscheuenswürdige Tat, für die es keinerlei Entschuldigung geben kann", sagte Merkel in Berlin. Ihr Mitgefühl gelte den Familien und Freunden der Jugendlichen.
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier betonte in einer ersten Stellungnahme, dass er "zutiefst erschüttert" sei und in diesen schweren Stunden vor allem an die Familien und Freunde der Ermordeten denke. Zugleich aber hoffe er, "dass trotz des unendlichen Schmerzes über den Verlust dieser drei jungen Menschen das Streben nach Frieden das Handeln in den kommenden Tagen bestimmt".
Der französische Präsident François Hollande und der britische Premier David Cameron verurteilten die Ermordung der drei Jugendlichen auf das Schärfste. Während Hollande von einem "feigen Mord" sprach, verurteilte Cameron den "entsetzlichen und unentschuldbaren Terrorakt". Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sprach von einem "abscheulichen, feigen und barbarischen Verbrechen."
"Es gibt keine Gnade für Kindermörder"
Rechtsorientierte israelische Abgeordnete forderten ein hartes Vorgehen gegen Hamas. "Dieses tragische Ende muss auch das Ende der Hamas sein", sagte Danny Danon von der Regierungspartei Likud. Er forderte eine Militäroperation und einen "tödlichen Schlag" gegen die Hamas. Auch Parlamentspräsident Juli Edelstein (Likud) sagte: "Israel muss einen kompromisslosen Krieg gegen den Terror im Allgemeinen und speziell gegen die Hamas führen." Wirtschaftsminister Naftali Bennett sagte: "Es gibt keine Gnade für Kindermörder." Der Vorsitzende der Siedlerpartei sagte zudem: "Dies ist eine Zeit für Taten, nicht für Worte."
Nördlich der Stadt Hebron seien starke Truppenverbände im Einsatz, berichtete der israelische Rundfunk am Montagabend. Es sei zu Schusswechseln mit Palästinensern gekommen. Es sei auch im Gebiet der Kleinstadt Chalchul zu gewaltsamen Konfrontationen zwischen der Armee und Palästinensern gekommen, hieß es. Die Stadt Hebron wurde abgeriegelt.
Seit dem Verschwinden der Jugendlichen auf dem Heimweg am 12. Juni hat die israelische Armee bei Razzien nach eigenen Angaben etwa 420 Palästinenser festgenommen, die meisten davon Hamas-Mitglieder.