Zum China-Besuch der Bundeskanzlerin

"In China ist Religion eine Bedrohung der nationalen Sicherheit"

Bundeskanzlerin Merkel ist in China. Ob sie mit Premierminister Li Keqiang über Menschenrechtsverletzungen oder die Situation der Christen im Lande spricht, ist fraglich. Katharina Wenzel-Teuber vom Katholischen China Zentrum in St.Augustin im domradio.de-Interview.

In der Kathedrale von Peking (KiN)
In der Kathedrale von Peking / ( KiN )

domradio.de: Über die Situation der Christen in China sind Sie als Chefredakteurin der Zeitschrift "China heute" sicher Besonders informiert - Was bedeutet es, in China Christ zu sein?

Wenzel-Teuber: Generell erstmal ist die Lage der Christen oder der Kirchen in China gut, denn es sind sehr lebendige Kirchen, die auch an vielen Orten durchaus eine Anziehungskraft auf die Menschen ausüben - und das, obwohl eigentlich die staatliche Kontrolle eng ist. Das heißt, die Christen und die Kirchen nutzen die begrenzten Freiräume, die sie haben, um das Evangelium weiterzugeben und auch, um sich sozial für die Gesellschaft zu engagieren. Sie sind da durchaus kreativ und die Kirchen geben Leuten einen Raum, die nach einer Beheimatung suchen. Die staatliche Einmischung in die kirchlichen Angelegenheiten führt aber natürlich immer wieder auch zu Problemen, zum Beispiel zu internen Spaltungen der Kirchen.

domradio.de: Wovor hat denn die chinesische Regierung genau Angst, wenn es um Religionsausübung generell geht?

Wenzel-Teuber: Sie hat Angst, dass ihr Bewegungen aus der Kontrolle geraten. Sie möchte die volle Loyalität der Menschen haben. Sie hat, das ist gerade in letzter Zeit ein Thema gewesen, Angst vor Infiltration durch Religion. Das ist im Mai im ersten Blue Book der nationalen Sicherheit erwähnt worden, dass Infiltration durch Religion eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellt. Das sind Ängste, die die Regierung generell hat.

domradio.de: Gibt es denn eine Veränderung, wenn man als Christ in China lebt, in den vergangenen Jahrzehnten? Geht es in eine positive oder in eine negative Richtung? Kann man das sagen?  

Wenzel-Teuber: Wenn man über die Jahrzehnte blickt, geht es sicher in eine positive Richtung. Seit den achtziger Jahren ist nach den Schrecken der Kulturrevolution doch Religionsausübung wieder erlaubt worden. Es gibt eine Religionspolitik, die grundsätzlich Freiheit des Glaubens garantiert, aber in sehr engen Grenzen. Und das schwankt eben immer. Da wird immer mal angezogen und mal wieder mehr Freiraum gegeben. Man kann die Religionspolitik des neuen Präsidenten noch nicht abschließend einschätzen, aber in allerletzter Zeit gibt es doch auch Anzeichen, dass sich Dinge verschärfen und die Zügel angezogen werden. Es gab zum Beispiel auch in der Provinz Zhejiang Vorgehen gegen jahrelang tolerierte, allerdings ohne Baugenehmigung gebaute Kirchen, die wurden teilweise abgerissen, oder es wurden Kreuze abmontiert im großen Stil. Da gibt es durchaus auch Zeichen, dass im Moment die Zügel wieder angezogen werden.

domradio.de: Inwiefern leiden denn die Christen dort unter der Situation? Oder haben die sich längst abgefunden mit der regelmäßigen Gängelei durch die Regierung?

Wenzel-Teuber: Ich denke, das ist sehr unterschiedlich. Nicht unbedingt jeder Gläubige bekommt Spannungen immer mit. Das normale Gemeindeleben ist nicht immer betroffen. Christen haben sich weitgehend damit abgefunden, dass sie flexibel sein müssen, je nach Situation entscheiden müssen und besonders die Leute in Leitungsfunktionen sind natürlich noch sehr viel stärker dem unmittelbaren Druck der Behörden ausgesetzt.

domradio.de: Auf welchen konkreten Aspekt könnte denn eine deutsche Kanzlerin, die nun in China ist, eingehen, um die Situation der chinesischen Christen zu verbessern?

Wenzel-Teuber: Sie könnte natürlich auch darauf verweisen, dass man in Europa positive Erfahrung hat mit der Zusammenarbeit mit den Kirchen. Dass Kirchen durchaus auch eine positive Funktion für die Gesellschaft ausüben können. Das tun ja de facto die Kirchen in China  auch schon zum Teil, durch soziale Arbeit etwa, was die Regierung auch würdigt. Was Frau Merkel auch tun kann und schon in Vergangenheit getan hat, das ist, dass sie bewusst versucht hat, Kirchenvertreter zu besuchen. Sie hat schon zweimal katholische Bischöfe besucht.

Das Gespräch führte Christian Schlegel.


Merkel und Chinas Premier Li (dpa)
Merkel und Chinas Premier Li / ( dpa )
Quelle:
DR