Adveniat zu den minderjährigen Flüchtlingen in die USA

Raus aus den Gewalthochburgen Mittelamerikas

Mit Blick auf die Flüchtlingswelle von Minderjährigen aus Mittelamerika in die USA warnt Papst Franziskus vor einer humanitären Krise. Über die Hintergründe spricht im domradio.de-Interview Ines Klissenbauer von Adveniat.

"Wir sind die Zukunft" (dpa)
"Wir sind die Zukunft" / ( dpa )

domradio.de: Die Kinder und Jugendlichen, die aus Mittelamerika fliehen, werden oft unterwegs Opfer von Kriminellen - warum wagen trotzdem so viele die Flucht in die USA?

Ines Klissenbauer (Referentin für Mittelamerika der bischöflichen Aktion Adveniat): Viele dieser Kinder und Jugendlichen sind selbst in ihren Ländern Opfern von Gewalt. Die Gewaltsituationen gerade in den Ländern El Salvador, Guatemala und Honduras ist in den letzten Jahren explodiert. Viele Familien leben unter permanenter Gewalt, unter Bandenkriminalität, Drangsalierungen und von daher ist es für sie keine große Abschreckung. Sicherlich wurde diese große Welle damit ausgelöst, dass Schlepperbanden konkret in Mittelamerika geworben haben, dass illegale Einwanderer in Nordamerika eine Amnestie erfahren und Kinder eine Möglichkeit haben, praktisch zu einer Familienzusammenführung aufzubrechen. Viele Kinder haben ihre Eltern ja in den Vereinigten Staaten, sehen sie über Jahre nicht und möchten zu ihren Eltern.

domradio.de: Etwa 50.000 Kinder und Jugendliche sind seit Oktober in die USA gekommen. Der Papst fordert neue Formen der legalen und sicheren Einwanderung - wie könnten diese Formen denn konkret den Migranten helfen?

Klissenbauer: Rund 60 Prozent der Migranten aus Mittelamerika in den Vereinigten Staaten von Amerika sind illegal und das schon seit vielen Jahren. Die Leute werden oft arbeitsrechtlich ausgebeutet, sie haben keinen legalen Status, sie haben keine Möglichkeit sich zu wehren. Sie zahlen aber Steuern, sie tragen zur Wirtschaftsleistung in Amerika bei. Sie würden natürlich profitieren von einer Veränderung in der Migrationspolitik, auch in der Frage der Familienzusammenführung.

domradio.de: Langfristig muss die Situation in den Herkunftsländern der Migranten verbessert werden, das fordert der Papst. Wie hilft denn Adveniat konkret vor Ort?

Klissenbauer: Vor Ort in Mittelamerika, gerade in den drei nördlichen Ländern Guatemala, El Salvador und Honduras gibt es viele kirchliche und nichtkirchliche Initiativen, die bewusst im Sinne der Friedenserziehung und der Gewaltprävention arbeiten, die auch mit den verschiedenen Sektoren der Gesellschaft in runden Tischen beraten über konkrete Maßnahmen zur Berufsbildung, über Arbeitsperspektiven, aber auch über die psychosoziale Betreuung der vielen Menschen, die Gewalt ausgesetzt sind.

Guatemala investiert nur drei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in Jugendpolitik und Jugendfördermaßnahmen, aber 45 Prozent der Bevölkerung sind Jugendliche. In El Salvador und Honduras sind es sechs Prozent, das ist nicht wesentlich mehr. Die Situation von Jugendlichen liegt brach in diesen Ländern. Sie haben keine Entwicklungsperspektiven, sie brauchen Unterstützung um berufliche Bildung zu erfahren, um in einem friedfertigen Umfeld zu leben. Da unterstützt Adveniat ganz konkret mehrere Projekte von Ordensgemeinschaften, der Initiativen der verschiedenen Bischofskonferenzen und Menschenrechtsorganisationen vor Ort, um die Lebensbedingungen in den Ländern selber zu verbessern. Damit die Menschen nicht mehr fliehen müssen und in ihren Ländern eine Perspektive zu einer guten Entwicklung haben.

Das Interview führte Mathias Peter


Quelle:
DR