Der am 2. Juni 1835 in Venetien geborene Bauernsohn wurde nach seiner Kaplanszeit zuerst Spiritual im Priesterseminar von Treviso und später Bischof von Mantua. 1893 ernannte ihn Papst Leo XIII. zum Patriarchen von Venedig. Bei seiner eigenen Papstwahl hatte Sarto vier Jahrzehnte als Seelsorger gewirkt, verfügte jedoch - im Gegensatz zu den meisten seiner Vorgänger - über keinerlei Vatikan-Erfahrung. Zudem fehlten ihm eine höhere wissenschaftlich-theologische Ausbildung sowie moderne Fremdsprachen.
Als er im August 1903 zum Papst gewählt wurde, entschied er sich für den Namen Pius X. - zum Gedenken an jene seiner Vorgänger, "die im vergangenen Jahrhundert mutig gegen die Sekten und gegen die wuchernden Irrtümer gekämpft haben". Er sorgte dafür, dass sich künftig keine weltlichen Mächte mehr in die Papstwahl einmischen konnten. Beim Konklave, aus dem er selbst als Sieger hervorging, hatte noch Kaiser Franz Joseph von Österreich sein Veto gegen den zunächst favorisierten Kandidaten eingelegt, Kardinalstaatssekretär Mariano Rampolla.
Innerkirchliche Reformen bildeten einen Schwerpunkt seiner Amtszeit. Dabei kam ihm seine lange Erfahrung als Seelsorger zugute. So setzte er etwa das Alter für die Erstkommunion auf sieben Jahre herab und empfahl auch Laien häufigen Kommunionempfang - die dieses Sakrament nach bisheriger Praxis nur äußerst selten empfingen. Zudem kümmerte sich Pius X. um Liturgie und Kirchenmusik und förderte eine Renaissance des Gregorianischen Chorals. Er ordnete die Kurie neu und gab eine Überarbeitung des Kirchenrechts in Auftrag.
Pius X. war fest davon überzeugt, für den Dienst für Gott und das Heil der Seelen auf vielen Gebieten eingreifen zu müssen. Besonders misstraute er den progressistischen Bestrebungen in Kirche und Gesellschaft. Dazu gehörten etwa die neuen Formen der Schriftauslegung, die von Frankreich ausgingen. 1907 verurteilte er die modernistische Bewegung als Irrlehre und verlangte ab 1910 von jedem Priesteramtskandidaten einen Eid, um solche Strömungen vom Klerus fernzuhalten. Dieser sogenannte Antimodernisten-Eid wurde erst 1967 von Paul VI. in dieser Form abgeschafft.
Außenpolitisch glücklos
Auf außenpolitischem Parkett agierte Pius X. wenig glücklich. So lehnte er jeden Kompromiss mit dem französischen Modell der Trennung von Staat und Kirche ab. Auch mit Spanien und Portugal kam es zum offenen Bruch. Zugleich machte ihn seine Volkstümlichkeit bei seinen Zeitgenossen sehr beliebt; sie trug ihm den Ruf der Heiligmäßigkeit ein. Er galt als humorvoll, demütig und bescheiden, mied das majestätische "Wir" und das vatikanische Hofzeremoniell. Auf vielen Fotos ist er in der einfachen weißen Soutane abgebildet und wirkt fast modern.
Drei Wochen nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs starb Pius X. am 20. August 1914; zuvor hatte er noch alle Katholiken zum Gebet gegen die schreckliche Tragödie aufgerufen. Trotz dem Stigma als "Antimodernisten" hat Giuseppe Sarto als Papst auch wissenschaftliche Arbeit unterstützt, etwa als Gründer des päpstlichen Bibel-Instituts. Nachdem etwa eine wissenschaftliche Diskussion ergeben hatte, dass es keinen spätantiken Kult um einen heiligen Expeditus gegeben habe, ließ ihn Pius X. kurzerhand aus dem Heiligenkalender streichen - eifrig und autoritär, wie es seine Art war.
Seit spätestens 2009 taucht der Name "Pius X." auch in der Debatte um die traditionalistische Piusbruderschaft auf, die sich auf den 1954 heiliggesprochenen Papst beruft.