Bischof Koch nach der Landtagswahl in Sachsen

"Das Problem NPD ist noch nicht gelöst"

Die FDP ist raus aus dem sächsischen Landtag, die AfD drin. Offensichtlich befindet sich die Parteienlandschaft Deutschlands in einem Umwälzungsprozess. Heiner Koch, Bischof von Dresden-Meißen, auf domradio.de mit seiner Einschätzung.

Bischof Heiner Koch (dpa)
Bischof Heiner Koch / ( dpa )

domradio.de: Bischof Koch, die NPD hat den Einzug ins sächsische Parlament knapp verfehlt - sind Sie erleichtert?

Koch: Ja und nein. Grundsätzlich finde ich das gut, dass es nicht geklappt hat, aber damit ist das Problem nicht gelöst. Viele Menschen haben sie gewählt, deutlich mehr als vor zwei Wochen noch zu erwarten war. Da muss man sich natürlich fragen: Warum haben diese Menschen die gewählt? Was ist da an Ängsten, an Sorgen, an Nöten? Was ist da an Versprechungen gemacht worden? Liegt es an der weltpolitischen Lage? Nur weil sie jetzt nicht im sächsischen Landtag sind, kann man nicht sagen, das Problem Rechtsradikale in Deutschland oder in Sachsen ist gelöst.

domradio.de: Wahlsiegerin ist die CDU, allerdings mit einem kleinen Schönheitsfehler: Sie hat nämlich das schlechteste Ergebnis bei einer Landtagswahl in Sachsen überhaupt eingefahren. Was meinen Sie, warum verliert die CDU Wähler?

Koch: Sie hat natürlich fast den gleichen Stimmenanteil gehalten. Sicherlich sind einige Wähler zur AfD rübergegangen und wahrscheinlich auch einige zur NPD. Das große Problem ist schlicht und ergreifend die große Zahl der Nichtwähler. Viele, die sehr große Sympathien für die CDU haben - die Sympathiewerte für den Ministerpräsidenten sind ja enorm hoch - haben sich wahrscheinlich gedacht, das ganze geht so oder so klar. In Sachsen gibt es keine Revolution. Wir bleiben zu Hause. Die CDU hat sicherlich zum Teil auch ein Problem der Mobilisierung der ihr zugerechneten Sympathisanten.

domradio.de: Für die AfD, die Alternative für Deutschland, war der gestrige Wahltag ein wahrer Triumph. Die AfD sieht sich selbst als euroskeptische Partei. Beobachter nennen sie auch rechtspopulistisch. Wie schätzen Sie die AfD ein?

Koch: Ich würde mich hüten, sie in eine Schublade mit der NPD zu tun. Wir haben selbst erste Gespräche mit Vertretern der AfD geführt. Was mich am meisten bewegt hat war, dass ich beim besten Willen bei vielen Fragen nicht weiß, wo diese Partei eigentlich steht und für was sie eintritt. Wenn man mit verschiedensten Vertretern dieser Partei spricht, bekommt man in wesentlichen Fragen doch sehr unterschiedliche Antworten. Es wird sich zeigen müssen, welche Positionen die AfD einnimmt, was sie innerlich vertritt, wie sich sich personell aufstellt. Ich würde sie auf keinen Fall in die Nähe der NPD rücken. Aber dass es natürlich ein paar Leute gibt, die ein rechtes Gedankengut haben, ist klar. Von der Spitzenkandidatin in Sachsen, Frauke Petry, wird man das sicherlich nicht sagen können. Eine Herausforderung ist es allemal.

domradio.de: Das Aus für die FDP bedeutet zugleich das Ende der bisherigen schwarz-gelben Koalition. Welches Regierungsbündnis würden Sie sich wünschen?

Koch: Derzeit wird ja diskutiert über schwarz-rot und über schwarz-grün. Ich würde beiden Konstellationen erwartungsvoll entgegensehen. Denn an der Spitze dieser drei Parteien stehen engagierte Christinnen und Christen, die sich persönlich und gesellschaftlich-politisch als Christen engagieren und zu denen wir auch als katholische Kirche ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis haben. Ich könnte mir also jede Konstellation denken und ich hoffe, dass eine Koalition herauskommt, die kreativ ansetzt, Neues auf den Weg bringt. So ein Koalitionspartnerwechsel bringt ja auch die Möglichkeit, manches neu zu denken und in Frage zu stellen und neue Wege zu suchen. Ich glaube schon, dass es gut wäre, den Mut zu haben, ein Stück von dem Gewohnten wegzugehen.

domradio.de: Vielleicht auch gerade noch einmal aus kirchlicher Perspektive: Was erhoffen Sie sich von der neuen Regierung in Sachsen, egal, welche Koalition es dann sein wird?

Koch: Was uns betrifft, sind es natürlich einige Themen, die uns sehr stark interessieren. Das sind zum Beispiel die Freien Schulen. Die Freien Schulen, die in Sachsen bislang deutlich geringer unterstützt werden als etwa in Nordrhein-Westfalen. Hier ist vom Landesverfassungsgericht ein Spruch zu Gunsten der Freien Schulen ergangen. Das wird jetzt umgesetzt. Da erwarten wir uns jetzt eine langfristige, politische Regelung. Ein großes Sorgenkind in Sachsen sind die Landregionen. Die Städte blühen, wachsen. Leipzig und Dresden wachsen, sind dynamisch, wirtschaftlich stark. Das Land ist das große Problem. Die Menschen dort und damit natürlich auch unsere Gemeinden dort machen uns große Sorgen. Die Menschen ziehen vom Land weg, es fehlt die wirtschaftliche Spannkraft. Bildung wird sicherlich ein Thema sein, und die Familienarbeit. Die AfD hat sich mit doch sehr kritischen Familientönen in letzter Zeit bemerkbar gemacht und dadurch manche Sympathisanten gefunden, weil viele Vorstellungen, die sie vertreten, auch Christen vertreten. Da wird also sicherlich eine positive, kraftvolle Familienpolitik sehr notwendig sein.

domradio.de: Die Wahlbeteiligung lag bei gerade mal 49 Prozent, also nochmal niedriger als vor fünf Jahren. Wie könnte man denn in Ihren Augen die Menschen motivieren, sich wieder mehr für Politik verantwortlich zu fühlen und dann eben auch wählen zu gehen?

Koch: Das ist das eigentlich Schockierende für mich bei der Wahl. Es sind jetzt 25 Jahre seit der sogenannten friedlichen Revolution vergangen. Dass dann so wenige zur Wahl gehen und dieses hohe Gut der Freiheit an diesem Punkt nicht wahrnehmen, wo es auch eine Verantwortung gibt und nicht nur die Einstellung "Ich will wählen gehen, weil es Spaß macht oder weil es jemanden gibt, der hundertprozentig meine Meinung vertritt" - das ist schon erschütternd. Ich glaube auch nicht, dass das zurückzuführen ist auf diese wirklich sehr beschränkte Begründung, es liege am letzten Ferientag. Hier ist entweder eine zu große Sattheit und Zufriedenheit, es läuft schon irgendwie. Die andere Möglichkeit ist schlicht und ergreifend, dass man hier nach Jahren gesellschaftlicher Vereinnahmung das bürgerlich und gesellschaftlich-politisch Leben und Verantwortung einfach neu lernen muss.

Das Gespräch führte Hilde Regeniter.


 

Nicht mehr im sächsischen Landtag: die NPD (dpa)
Nicht mehr im sächsischen Landtag: die NPD / ( dpa )
Quelle:
DR