domradio.de: Ist denn das Klonen von Menschen zu Fortpflanzungszwecken in absehbarer Zeit überhaupt möglich?
Weihbischof Anton Losinger (Mitglied des Deutschen Ethikrats): Gott sei Dank können wir sagen, dass dies in der Bundesrepublik Deutschland aufgrund der gesetzlichen Lage, nämlich durch das Embryonenschutzgesetz und das Stammzellgesetz, verboten ist. Inzwischen hat der Deutsche Ethikrat die Initiative ergriffen und die sogenannte Ad-Hoc-Empfehlung verabschiedet. Ein Papier, das sehr schnell auf ein Problem antworten will mit dem Titel "Stammzellforschung - Neue Herausforderungen für das Klonverbot und den Umgang mit artifiziell erzeugten Keimzellen". Dahinter steht tatsächlich die Befürchtung, dass in der rasanten Entwicklung neuester biomedizinischer und gentechnischer Verfahren die Herstellung genetisch-identischer Duplikate, so etwas ist ein Klon gelingen kann. In Deutschland ist im Moment zwar kein unmittelbarer gesetzlicher Handlungsbedarf. Aber wir bitten die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass dieses Klonverbot weltweit und nach den Möglichkeiten der Bundesrepublik Deutschland eingehalten und entsprechend formuliert wird.
domradio.de: Weil andere Länder laxere Gesetze haben?
Weihbischof Losinger: Es gibt im Grunde genommen zwei Zielsetzungen, weswegen Menschen an Klonen denken: Das sogenannte reproduktive Klonen, nämlich die Herstellung eines identischen genetischen Duplikats eines bereits lebenden Menschen. Das ist verboten. Und das sogenannte therapeutische, medizinische Klonen. Also die Herstellung von embryonalen Strukturen, die menschliche Embryonen sein können, um daraus Ressourcen für die Heilung von Menschen zu gewinnen. Es würde ein genetisch identisches Gewebe gewonnen, das dann für die Behandlung eines Menschen entsprechend verwendet werden kann.
Bisher hatte man immer gedacht, dass adulte Stammzellen und deren Verwendung keine Vernichtung von zuvor erzeugten Embryonen erfordern würden, weil sie ja aus körpereigenem Gewebe gewonnen werden. Jetzt ist es tatsächlich so, dass durch neue Methoden, durch Zellkerntransfer oder die Herstellung von induzierten pluripotenten Stammzellen (IPS-Zellen) eine Reprogrammierung von Körperzellen eines bereits lebenden Menschen möglich ist. Und das ist in der Tat zu Ende gedacht die Gefahr, die zu einem identischen Duplikat eines Menschen führen kann.
domradio.de: Was ist denn am Klonen zu therapeutischen Zwecken verwerflich?
Weihbischof Losinger: Beim therapeutischen Zweck ist es ebenfalls so, dass aus Zellen eines bereits existierenden Menschen ein identischer Klon hergestellt wird. Bisher war die Grenze immer die, dass das dann entstehende Gebilde eine pluripotente Struktur war, also sich in verschiedenste Organismenformen des menschlichen Körpers hinein entwickeln könnte. Wenn aber jetzt mit den allerneuesten Forschungsverfahren eine Totipotenz erreicht werden kann und damit auch Keimzellen generiert werden können, dann wären wir in einer Situation angelangt, in der aus den dann künstlich erzeugten menschlichen Zellen wiederum ein Mensch generiert werden könnte. Das ist die Frage einer kommerziellen Verzweckung eines menschlichen Embryos. Eine zweite denkbare Variante wäre, dass gleichgeschlechtliche Paare einen genetisch mit beiden Elternteilen verwandten Embryo herstellen und sich damit ein Wunschkind generieren könnten. Die letzte Variante wäre, dass damit auch die Vereinigung von künstlich hergestellten männlichen und weiblichen Keimzellen möglich wäre, die von ein und demselben Individuum stammen. Alles das sind neue Möglichkeiten der biomedizinischen und gentechnischen Varianten, die noch vor uns liegen und von denen der Ethikrat meint, in Zukunft bereits warnen zu sollen.
domradio.de: So eine Empfehlung des deutschen Ethikrates, das Klonen international zu verbieten, wird die denn überhaupt außerhalb Deutschlands gehört oder beachtet?
Weihbischof Losinger: Es handelt sich beim Klonen von Menschen um einen massiven Eingriff in Lebensrecht und Menschenwürde. Die Frage ist, wer von sich eine Kopie generieren lassen will? Da geht es um eine ähnliche Situation wie bei der Frage der Menschenrechte insgesamt, die sind nicht territorial gültig, sondern müssen globale Wirkung haben. Insofern werden wir sowohl im Blick auf die UNO, als auch im Blick auf die die Geltung der EU, von der Bundesregierung erwarten, sich einzusetzen, dass globale Verbote solcher biomedizinischer Techniken angestrebt werden, die die Vernichtung oder die Kommerzialisierung von menschlichen Geweben erfordern, die Klone sind.
domradio.de: Kann das denn Forscher in den USA oder China stoppen?
Weihbischof Losinger: Wir sind nüchtern genug, zu sehen, dass es in vielen biomedizinischen Verfahren heutzutage die Situation gibt, dass sie in Singapur längst kaufen können, was vielleicht in England straffrei und in Deutschland verboten ist. Nichtsdestotrotz müssen wir bei solchen Verfahren, die letztendlich an Würde und Lebensrecht grenzen, wie bei den Menschenrechten eine globale Geltung eines Verbotes erstreben. Das will der Ethikrate erreichen, und daher mahnen und warnen wir, trotz der rechtlich guten Positionierung in der Bundesrepublik, dass die Bundesrepublik sich international einsetzt.
domradio.de: Und das macht sich auch Kirche zum Thema?
Weihbischof Losinger: Gott sei Dank. Wir müssen wissen, dass vor allem das eine klar sein muss: Das rasante Tempo der medizinischen und bioethischen Forschung in diesen Bereichen der Gentechnik und der Biomedizin geht mit einer solchen Geschwindigkeit voran, dass die Ethik sozusagen immer hinterherhechelt. Diese Herausforderung der ethischen Dimensionierung von modernster wissenschaftlicher Forschung ist ein Gebiet, dem sich der Ethikrat verschrieben hat und sich verschreiben muss.
domradio.de: Damit verbunden fordert der Ethikrat eine öffentliche Diskussion über die natürliche und künstliche Fortpflanzung. Warum ist diese Diskussion Ihrer Ansicht nach dringend notwendig?
Weihbischof Losinger: Es geht um die Frage von Lebensrecht, von Leben und Tod. Es geht um künftige Kinder, und da ist es schlichtweg gar nicht ausweichbar, dass sich Menschen intensivst mit dieser Frage beschäftigen müssen. Es bleibt uns nicht anderes übrig. Je schneller der Wissenszuwachs in diesen hochkomplexen Fächern von Gentechnik und Biomedizin voranschreitet, umso größer muss die Anstrengung aller Menschen sein, mitzudenken, Verantwortung zu übernehmen und dort ein Veto einzulegen, wo es an das Leben, an das Recht und an die Würde des Menschen geht.
Das Gespräch führte Susanne Becker-Huberti.