Es geht um die Rolle der Kathedrale in der Wahrnehmung der Künstler und in der nationalen Debatte zwischen Goethe und Victor Hugo bis zur Bombardierung von Reims durch die Deutschen vor 100 Jahren, im September 1914. Die Schau steht unter der Schirmherrschaft der Außenminister Frankreichs und Deutschlands, und sie ist eine Koproduktion zweier Kunstmuseen aus Frankreich und Deutschland - aus zwei Städten, die jeweils selbst eine der bekanntesten Kathedralen der Welt ihr eigen nennen: Rouen und Köln.
Von Macke bis Picasso
Während sich das Museum der Schönen Künste in Rouen im Frühjahr auf den Zeitraum zwischen den Wegmarken Französische Revolution und Erster Weltkrieg beschränkte, weitet das Wallraf mit rund 120 Exponaten aus internationalen Sammlungen den zeitlichen Fokus von der Romantik über den Impressionismus bis in die Jetztzeit aus. Die Liste der Künstler des 19. bis 21. Jahrhunderts liest sich wie ein Who is who: Caspar David Friedrich, John Constable, William Turner, Camille Corot, Alfred Sisley, Camille Pissarro, Claude Monet, Odilon Redon, Auguste Rodin, James Ensor, August Macke, Lyonel Feiniger, Pablo Picasso, Andy Warhol, Andreas Gursky, Roy Lichtenstein.
Bombardierung von Kathedralen
Ausgangsidee war das Gedenkjahr 1914: Die deutsche Bombardierung der Kathedrale von Reims bleibt ein Barbarenakt von großer, negativer Symbolik - der auch im Ausstellungskatalog von französischen wie deutschen Autoren beleuchtet wird. Ein Ankerpunkt der Schau ist ein Wasserspeier, der bis heute mit erstarrtem Blei des geschmolzenen Kirchendachs verstopft ist. In erster Linie handelt es sich jedoch um eine Kunstausstellung. Zu sehen sind auch Bilder zerstörter Kathedralen - die in der Kunstgeschichte ein seltenes Motiv sind -, etwa «Reims in Flammen» oder Arras. Herzstück aber ist Monets berühmte Bilderserie der Kathedrale von Rouen. 33 mal hat er das gotische Gotteshaus in den Jahren 1892 bis 1894 mit Leidenschaft und unendlicher Geduld bei verschiedenstem Wetter, Licht und unterschiedlichen Tageszeiten gemalt.
Spannendes Abschreiten der Kunstgeschichte
Vier Bilder dieser Serie, die Zeitgenossen wie auch Generationen nachfolgender Künstler inspirierten, sind nun in Köln zu sehen. Die Ausstellung weist überraschende Bezüge der prominenten Künstler untereinander nach. Museumsdirektor Marcus Dekiert spricht von einem "spannenden Abschreiten der Kunstgeschichte - attraktiv sowohl für den, der gerne Kathedralen sieht und den geistesgeschichtlichen Hintergrund kennt, als auch für jene, die gerne die großen Künstler sehen".
Kathedralen im 19. Jahrhundert
Diskutiert wird auch die große Bedeutung der Kathedrale für das kollektive Bewusstsein des deutschen und des französischen Volkes. Nach Jahrhunderten der Vernachlässigung, des Dämmerns und Vergessens wurden sie in einer plötzlichen Renaissance im 19. Jahrhundert wieder zu umschwärmten Symbolen des christlichen Mittelalters. So wurde der Kölner Dom unter preußischer Hoheit weniger als katholisches Gotteshaus denn als ein Nationaldenkmal fertiggestellt. Der deutschen Romantik und ihrer neuen Mittelalter-Verehrung folgten in Frankreich Victor Hugo und sein "Glöckner von Notre-Dame" erst mit Verzögerung nach.
Kathedrale von Rouen
Auch die Kathedrale von Rouen, Partnerstadt der Ausstellung, ist ein historischer Schicksalsort, an dem sich nationale Identität und französische Monarchie gleichsam verdichten. Im Mai 1431 wurde hier auf einem Scheiterhaufen am Marktplatz die 19-jährige Jeanne d'Arc als Ketzerin verbrannt. Der Glockenturm der Kathedrale von Rouen ist mit 151 Metern der höchste Kirchturm Frankreichs; bis zur Fertigstellung des (sechs Meter höheren) Kölner Doms 1880 war er gar das höchste Gebäude der Welt. Dass nur neun Jahre später mit dem Pariser Eiffelturm ein doppelt so hohes entstehen sollte, konnte im Oktober 1880 noch niemand ahnen.