domradio.de: Frau Eberl, während der Synodentage haben Sie gesagt, es sei Ihnen manchmal nach Prosecco und manchmal nach Schnaps zumute gewesen, nach Feiern und Verdauen - was überwiegt im Rückblick?
Ute Eberl (Diplom-Theologin, Leiterin der Ehe- und Familienseelsorge im Erzbistum Berlin): Im Rückblick ist es wirklich Mineralwasser. Diese zwei Wochen waren eine Bewegung, die in der ersten Woche beschwingt hat. Ich habe es "Proseccolaune" genannt. Weil in dieser ersten Woche die Synodenväter so beherzt und ehrlich erzählt haben aus den Situationen der unterschiedlichsten Länder auf der ganzen Welt, wo es der Familie und wo es Partnerschaften und Ehen unter den Nägel brennt.
Schon in diesen ersten Berichten von den Synodenvätern wurde ganz deutlich, dass sich viele wünschen, dass die Kirche mit einem anderen Blick, mit einem sympathischen Blick auf Ehe und Familie guckt. Das heißt, dass man nicht nur guckt, wo was nicht klappt und wo was nicht funktioniert, sondern mal guckt, in dieser Patchwork-Familie erziehen sie ihre Kinder ganz wunderbar oder das Paar, das nicht verheiratet ist, aber zusammenlebt, wie gehen sie mit Konflikten um? Das können sie ganz toll. Also dieser positive Blick - zu sehen, auch wenn jemand nicht in der sogenannten regulären Form lebt, sind wunderbare Dinge zu entdecken.
domradio.de: Das klingt sehr schön und sehr enthusiastisch, was Sie sagen, furiose Aufbruchsstimmung sozusagen. Aber was ist denn dann passiert?
Eberl: Dann wurde der Zwischenbericht erstellt, von dem, was bisher passiert ist und dieser Zwischenbericht hat geatmet von dieser Atmosphäre der ersten Woche. Nicht mit einer schwarz-weiß-Malerei, sondern mit einem genaueren Blick hinzuschauen: Wie leben denn die Menschen, wo drückt ihnen der Schuh und was wünschen Sie sich auch von der Kirche und wo können Sie ihnen was geben und anbieten. Also nicht dieser Blick mit Kirchenrecht auf die Menschen, sondern mit einem offenen Blick, mit diesem sympathischen Blick. Ich glaube dann sind manche einfach erschrocken.
domradio.de: Erschrocken darüber, dass Lebensformen, die so von der katholischen Kirche nicht vorgegeben sind, trotzdem so gut funktionieren können?
Eberl: So gut funktionieren können und auch so was "Heiliges" in sich tragen können. Ich hatte den Eindruck, vielleicht ist es einfach zu schnell gegangen, vielleicht war das zu fulminant dieser Auftakt, dann haben doch die besorgten Töne wieder den Raum eingenommen. Die Sorge um die Lehre, können wir denn die katholische Lehre irgendwo anknacksen, geht es nur um die Pastoral und mancher sagt, Pastoral und Lehre gehören zusammen. Es gab die Bedenkenträger, die auf dem Vormarsch waren und entsprechend ist ja auch das Schlusspapier ausgefallen. Darin stehen zwar die Themen, die wir von deutscher Seite mitgebracht haben, aber die von Bischöfen aus aller Welt als wichtig erachtet wurden - also was passiert, wenn ein Paar sich scheiden lässt und einer wieder heiratet, was ist mit gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften, wie kann man da den Blick drauf wenden. Sie stehen zwar drin, aber bei der Synode gibt es eine Abstimmung. Die Synodenväter stimmen ab über die einzelnen Punkte und da wurde ich ziemlich mineralwassermäßig geerdet.
domradio.de: Bei der Synode sind ja Laien, katholische Paare dabei gewesen, die ihre Erfahrungen erzählen konnten und worüber gesprochen wurde, ist das in ihren Augen ausreichend berücksichtigt worden?
Eberl: Das ist berücksichtigt worden und ich würde sagen die Paare, die erzählt haben, waren nicht so ganz unterschiedlich. Es waren keine Modelle, sondern teilweise "Models", wo es richtig gut läuft. Das wurde sehr beherzt aufgegriffen von den Synodenvätern. Ein Paar erzählte von der Situation, dass der Sohn zu einer Weihnachtsfeier seinen Partner mitbringen wollte. Das Paar hat das sehr positiv dargestellt und gesagt, ja, selbstverständlich kann er mitkommen. Das Paar hat dann im Nachklang gesagt, wir sind hier als Familie eine Ecclesiola, eine Kirche im Kleinen. Wir würden uns wünschen, dass so wie wir die Tür aufgemacht haben, auch die Tür in der Kirche aufgeht. Das Paar wurde dafür auch kritisiert. Es war in der Synode auch eine große Vielfalt von Meinungen.
domradio.de: Am Wochenende wurde auch ein Abschlussdokument der Bischöfe veröffentlicht. Spiegelt das den Tenor der Synode wieder?
Eberl: Es spiegelt erst einmal das Ergebnis wieder. Was ich hervorragend fand, dass der Papst zum Schluss gesagt hat, dass das gesamte Dokument mit den Abstimmungsergebnissen jetzt an alle Bischofskonferenzen geschickt wird. Er hat deutlich gesagt: So jetzt macht eure Hausaufgaben, es muss jetzt weitergehen. Wir sind mittendrin in der außerordentlichen Synode und im nächsten Jahr wird die richtige Bischofssynode sein. Das ist keine Zeit zum Ausruhen, sondern jetzt geht es weiter. Das Hervorragende, er hat zum Schluss gesagt: Ich bin Papst und ich sorge dafür, dass ihr hier miteinander streiten könnt, ihr müsst keine Sorge haben, dass die Kirche auseinander bricht oder dass irgendetwas passiert, ich garantiere das. Ich bin da, ihr dürft euch auch richtig heftig streiten.
Das eröffnet natürlich was! Stellen Sie sich vor, das würden unsere Diözesanbischöfe jetzt sagen: Ich garantiere, dass nichts auseinanderbricht und ihr könnt richtig offen miteinander reden, ihr könnt eure Erfahrungen austauschen, keiner muss Sorge haben, dass er sich seine Aufstiegschancen vermasselt oder sowas, sondern ihr dürft wirklich ehrlich miteinander reden. Es geht nämlich hier um Seelsorge.
domradio.de: Ist das etwas, was sich möglicherweise auch auf die Arbeit in den Gemeinden, also auch auf ihre Arbeit bei der katholischen Familienbildung auswirken kann?
Eberl: Das tun wir seit dieser Fragebogen im November letzten Jahres rumgegangen ist sowieso, aber ich fühle mich jetzt noch einmal richtig bestärkt dazu. Ich bin jetzt sehr gespannt auf die Akzente, die die Bischofskonferenz in Deutschland setzt, wie wir in diesem Jahr die nächste Synode in den Blick nehmen.
Das Interview führte Uta Vorbrodt