Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sagte zum Auftakt: "Mit diesem Tagesordnungsordnungspunkt beginnen wir das vielleicht anspruchsvollste Projekt dieser Legislaturperiode." Es gehe um die Frage, "wie der Staat seiner Verpflichtung zum Schutz des Lebens und der Menschenwürde auch und gerade gegenüber dem sterbenden Menschen sichern kann". In fünfminütigen Statements ergriffen knapp fünfzig Abgeordnete in teilweise sehr persönlichen Einlassungen das Wort.
Fünf Positionspapiere liegen vor
Für die vierstündige Aussprache lagen dem Parlament keine Gesetzesinitiativen vor, sondern fünf Positionspapiere verschiedener Abgeordnetengruppen. Von ihnen sprachen sich vier für ein Verbot jeder Form organisierter Beihilfe zum Suizid aus. Ein Entwurf plädierte lediglich für das Verbot auf Gewinn ausgerichteter, also geschäftsmäßiger Angebote. Der Bundestag will 2015 ein Gesetz zur Beihilfe zur Selbsttötung verabschieden. Nach geltendem Recht ist in Deutschland aktive Sterbehilfe verboten. Nicht strafbar sind der Suizid und die Beihilfe zum Suizid.
Das bestehende Straflosigkeit der Suizidbeihilfe in Einzelfällen stellte keiner der Redner infrage. Diskutiert wird aber, ob Ärzte Beihilfe zum Suizid leisten dürfen und wie mit Sterbehilfevereinen umgegangen werden soll. Unstrittig war hingegen, dass die Palliativmedizin und Hospize ausgebaut werden müssen.
"Wir werden am Ende zur Tötung auf Verlangen kommen"
Michael Brand (CDU) wandte sich gegen ein Sonderstrafrecht für Ärzte. Der assistierte Suizid dürfe nicht zum Normalfall werden. "Wir werden am Ende zur Tötung auf Verlangen kommen", warnte er und verwies auf die Entwicklung in den Niederlanden und Belgien. Inzwischen hätten dort Kinder ein Recht auf aktive Sterbehilfe. Brand will in seinem Positionspapier jede organisierte Beihilfe unter Strafe stellen.
Eva Högl (SPD) sprach sich ebenfalls für ein solches Verbot aus. Sie appellierte aber an die Ärzte, den bestehenden "Flickenteppich" im Berufsrecht zu beseitigen. Die ärztliche Berufsordnung verbietet zwar grundsätzlich eine Beihilfe zum Suizid; allerdings gibt es erhebliche Abweichungen bei den Landesärztekammern. Suizidbegleitung sei zwar keine ärztliche Aufgabe, dem einzelnen Mediziner müsse aber eine Gewissensentscheidung ohne Sanktionen möglich sein, sagte Högl.
Gesundheitsminister lehnt ärztlich assistierten Suizid ab
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) lehnt - wie eine Mehrheit der Unionsfraktion - ärztlich assistierten Suizid ab. Er begrüßte, dass auch eine Mehrheit der Ärzte dagegen sei. In der Palliativmedizin sei es schon möglich, lebensverlängernde Maßnahmen abzulehnen. Und einem sterbenskranken Schmerzpatienten könnten schmerzstillende Mittel verabreicht werden, auch wenn sie einen lebensverkürzenden Effekt hätten. Es gelte - und das habe er auch vor - die Palliativ- und Hospizversorgung flächendeckend zu gewährleisten.
Elisabeth Scharfenberg (Grüne) warnte vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft, den Suizid als scheinbaren Ausweg zu eröffnen. Dies sei ein "katastrophales Signal". Sie stellte infrage, ob von Selbstbestimmung die Rede sein könne, wenn die Entscheidung durch Angst vor Schmerzen, Einsamkeit und Hilflosigkeit falle. Sie plädierte ebenfalls für individuelle Freiräume für Vertrauensärzte und Nahestehende, sofern sie nicht eigennützig handelten.
Hintze: Staat muss dem Willen der Sterbenden folgen
Peter Hintze (CDU) forderte hingegen ein Recht der Ärzte auf Beihilfe zum Suizid. Es sei "unvereinbar mit der Menschenwürde, wenn aus dem Schutz des Lebens ein Zwang zum Qualtot wird". Leiden sei für ihn "immer sinnlos". Der Staat müsse dem Willen der Sterbenden folgen. In dieselbe Richtung argumentierte Karl Lauterbach (SPD). Wenn Sterbehilfevereine verboten würden, müssten Ärzte im Gegenzug Beihilfe leisten dürfen und Rechtssicherheit erhalten.
Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Die Linke) sprachen sich hingegen für eine Straflosigkeit auch der organisierten Sterbehilfe aus, sofern sie nicht der Gewinnerzielung dient. Dazu hatte auch sie ein eigenes Positionspapier vorgelegt. Das zu schützende Gut sei das Selbstbestimmungsrecht des Menschen im Sterben, so Künast. Der Gesetzgeber müsse lediglich dafür sorgen, dass der Suizid "keine Fremdbestimmung ist" und keine Tötung auf Verlangen vorliege.
Lammert kündigte für Anfang nächsten Jahres eine weitere Plenardebatte an, wenn Gesetzentwürfe vorliegen. Diese würden dann in den Fachausschüssen des Parlaments weiter beraten, bevor es eine zweite und dritte Lesung geben werde.