Die beiden großen Kirchen in Deutschland kritisieren eine Ausweitung von Rüstungsgeschäften mit Drittstaaten. Im ersten Halbjahr 2014 sei der Anteil von Exportgenehmigungen für Lieferungen an Länder außerhalb von NATO und EU auf einen Rekordanteil von 63,5 Prozent gestiegen, hieß es am Montag in Berlin bei der Vorstellung des Rüstungsexportberichts der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE). Besondere Sorge bereite der Handel mit Staaten in Nordafrika sowie Ländern des Nahen und Mittleren Ostens.
Erstmals konnte die GKKE neben Angaben von Experten und Einrichtungen wie dem schwedischen Friedensforschungsinstitut SIPRI für ihren seit 1997 vorgelegten Bericht auf das offizielle Zahlenmaterial der Bundesregierung zum Vorjahr zurückgreifen. Das zeige den Willen zu mehr Transparenz. Positiv hoben die Autoren auch den im Oktober vorgelegten Zwischenbericht der Bundesregierung für das erste Halbjahr 2014 hervor. Daraus gehe überdies ein Rückgang bei den Einzelausfuhrgenehmigungen sowie dem Export von Kleinwaffen hervor.
Keine Trendwende in der Rüstungspolitik
Zustimmung fand zudem die Entscheidung von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), eine bereits erteilte Ausfuhrgenehmigung für ein Gefechtsübungszentrum nach Russland nach dem Ausbruch der Krimkrise zu widerrufen. Eine Trendwende in der Rüstungsexportpolitik stehe gleichwohl noch aus, so die GKKE. Als Beispiel verwiesen die Fachleute unter anderem auf Pläne, eine Produktionsstätte für 1.000 Fuchspanzer in Algerien zu errichten. Durch solche Entscheidungen gebe die Regierung die Kontrolle über einen möglichen Weiterverkauf von Rüstungsgütern sowie deren endgültigen Verbleib aus der Hand.
Deutschland unter den Top Fünf der Rüstungsexporteure
Im vergangenen Jahr erteilte die Bundesregierung laut GKKE-Bericht Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert von 5,846 Milliarden Euro. Das sei der höchste Wert seit 1996. Bei den Sammelausfuhrgenehmigungen für staatenübergreifende gemeinsame Rüstungsprojekte gab es mit 2,494 Milliarden Euro einen Rückgang um 40 Prozent. Es sei allerdings fraglich, ob sich hier ein dauerhafter Trend etabliere. Zudem gingen auch in diesem Fall 15 Sammelausfuhrgenehmigungen an Drittstaaten, darunter Brasilien, Malaysia und Saudi-Arabien.
Die Zahl der tatsächlichen Ausfuhren von Kriegswaffen hatte 2013 einen Gegenwert von 933 Millionen Euro und blieb damit gegenüber dem Vorjahr mit 946 Millionen Euro ungefähr gleich. Insgesamt gehöre Deutschland weiter zu den fünf größten Rüstungsexporteuren weltweit, hieß es.
Einen Schwerpunkt legt der Bericht, der zusammen mit dem Bonner Konversionszentrum BICC sowie weiteren Vertretern von Hilfswerken und aus der Wissenschaft erarbeitete wurde, auf dem Handel mit Gewehren und Maschinenpistolen. Die Ausfuhr kleiner und leichterer Waffen erreichte im vergangenen Jahr mit 69.872 Stück einen neuen Höchstwert; allein nach Saudi-Arabien gingen über 18.000 Sturmgewehre.
Dialog mit den Kirchen gefordert
Die beiden großen Kirchen in Deutschland fordern eine breite Debatte über die künftige Rüstungspolitik. Dazu solle Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) nicht nur Vertreter der Rüstungsindustrie und der Gewerkschaften anhören, hieß es. Auch Wissenschaft, Zivilgesellschaft "und nicht zuletzt die Kirchen" sollten in einen dauerhaft einzurichtenden Gesprächskreis mit einbezogen werden.
Forderungen nach einem Runden Tisch für Rüstungsexporte hatte es bereits im Sommer gegeben, nachdem Gabriel wiederholt angekündigt hatte, die Ausfuhren einschränken beziehungsweise besser kontrollieren zu wollen. Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) vereinbarte Ende November regelmäßige Treffen auf Spitzen- wie auf Fachebene mit dem Bundesverteidigungsministerium. Dem BDSV gehören unter anderem die Großkonzerne Krauss-Maffei-Wegmann und Rheinmetall sowie der Waffenhersteller Heckler & Koch an.