Die Hoffnungen auf Reformen in der katholischen Kirche sind groß - doch das zu Ende gehende Jahr hat keinen Durchbruch gebracht. Die Familiensynode im Vatikan blieb im Oktober ohne konkretes Ergebnis. Papst Franziskus rief die Gläubigen dazu auf, mit "Geduld und Ausdauer" der nächsten Synode im kommenden Jahr entgegenzugehen. In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur nimmt der Kölner Kardinal Rainer Woelki dazu Stellung.
Frage: Vor einem Jahr wurde im Erzbistum Köln eine große Umfrage unter Katholiken veröffentlicht, aus der hervorging, dass die Gläubigen bei Themen wie Empfängnisverhütung, wiederverheiratete Geschiedene oder homosexuelle Partnerschaften nirgendwo mehr so denken, wie die Kirche es lehrt. Entsprechend groß muss jetzt im Erzbistum Köln die Enttäuschung darüber sein, dass die Bischofssynode zu Fragen von Ehe und Familie im Vatikan überhaupt nichts verändert hat.
Antwort: Synode bedeutet ja, dass wir auf einem gemeinsamen Weg sind. Dieser Weg ist noch nicht zu Ende - im nächsten Jahr gibt es noch eine weitere Synode. Die Ergebnisse der Umfrage sind auf jeden Fall wahrgenommen und auf der Synode sehr offen diskutiert worden.
Frage: Aber dann endete alles mit einem sehr dürftigen Papier, in dem zu den kritischen Fragen gar nicht Stellung genommen wurde.
Antwort: Dieses Papier ist ja jetzt erst einmal das Startdokument. Und nun gibt der Papst den einzelnen Bischofskonferenzen Raum und Zeit, um dieses Ergebnis noch weiter zu diskutieren. Insofern war es zu früh, jetzt schon mit Ergebnissen zu rechnen. Davor habe gerade ich auch immer gewarnt. Schnellschüsse darf es nicht geben.
Frage: Aber am Ende müsste sich dann mal etwas ändern, oder kann es auch sein, dass es am Ende heißt: Die Synode ist zu dem Ergebnis gekommen, dass wir alles beim Alten lassen?
Antwort: Ein Ergebnis wird auf jeden Fall die Stärkung von Ehe und Familie sein. Dass wir uns wieder mehr mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beschäftigen, mit den Rechten von Kindern...
Frage: ...was aber nicht die wirklich strittigen Punkte sind, oder? Wie steht es mit den wiederverheiraten Geschiedenen?
Antwort: Schon Johannes Paul II. und Papst Benedikt haben immer wieder darauf hingewiesen, dass selbstverständlich auch diese Menschen ihre Heimat in der Kirche haben. Ich denke, dass wir oftmals die Möglichkeiten, die die Kirche jetzt schon über ihre Ehegerichte und die immer schon bestehende Möglichkeit der juristischen Überprüfung der Gültigkeit gescheiterter Ehen bietet, nicht entsprechend ausschöpfen.
Und es wird sicher auch darüber nachzudenken sein, dass wir oftmals als Kirche auch noch Eheschließungen vornehmen bei Menschen, die zwar um dieses Sakrament bitten, die sich aber nicht darüber im Klaren sind, was dies in unseren Augen bedeutet. Eine kirchliche Ehe muss über ein ganzes Leben hinweg entfaltet werden.
Frage: Die Kirche soll also öfter Nein sagen, wenn Paare vor den Traualtar ziehen wollen, nur weil's in der Kirche nun mal feierlicher ist?
Antwort: Ich finde jedenfalls, dass wir dieses Sakrament nicht leichtfertig spenden dürfen. Da müssen wir die Inhalte unseres Glaubens ernster nehmen.
Frage: Würde es nicht sehr helfen, wenn endlich einmal Papst Franziskus selbst zu diesen Fragen Stellung nehmen würde? Er hat vieles angestoßen, aber man weiß immer noch nicht, was seine eigene Meinung etwa bei den wiederverheirateten Geschiedenen ist.
Antwort: Ich finde es erst einmal gut, dass der Papst offen ist und zuhört und dem freien Wort Raum gibt anstatt sofort einseitig eine Wegmarkierung zu setzen. Im übrigen glaube ich, dass der Papst am Ende der nächsten Synode durchaus sehr klar und sehr deutlich Entscheidungen treffen wird.
Frage: Auch Sie können aber zurzeit noch nicht einschätzen, wo der Papst steht?
Antwort: Ich denke doch, dass sich der Papst in der Vergangenheit schon sehr klar positioniert hat. Er hat beispielsweise immer wieder dazu aufgerufen, gerade die Menschen, die am Rande stehen, in den Blick zu nehmen. Oder: Er ruft immer wieder auf zur Toleranz.
Er macht deutlich, dass Religion nie zur Legitimierung von Gewalt in Anspruch genommen werden darf. Er ruft auf zu einem versöhnten Miteinander der Konfessionen und Religionen. Insofern habe ich schon den Eindruck, dass klar wird, in welche Richtung er die Kirche führen möchte.