Zu einer rückständigen Auslegung des Korans sagte Khorchide dem Bonner "General Anzeiger" (Freitag): "Wir muslimischen Theologen bekämpfen sie, und sie bekämpft uns. Aber man darf nicht sagen: Das ist der ganze Islam." Es gebe viele andere Lesarten und Schulen des Islam, die mit pluraler Gesellschaft und Rechtsstaat vereinbar seien, fügte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie in Münster hinzu.
Der Koran lasse viel Raum für Interpretationen. Er könne nur lebendig erhalten werden, wenn er immer wieder neu in der jeweiligen aktuellen Situation befragt werde. Um den gewaltbereiten Positionen von Salafisten entgegenzutreten, sei ein "aufgeklärter Diskurs von unten" nötig, so Khorchide.
Die Bonner Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher forderte eine drastische Reform der islamischen Theologie. "So lange die Kampfaufrufe Mohammeds und der Kalifen nicht für alle Zeiten für ungültig erklärt werden, wird der Islam sein Gewaltproblem nicht loswerden", sagte die Protestantin der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post".
Zunehmende Islamisierung der Türkei als Problem
Die frühere Islambeauftragte der SPD im Bundestag, Lale Akgün, sagte im Deutschlandfunk, es gebe in Deutschland eine eher konservative Auslegung des Koran, die von den gut organisierten Verbänden verbreitet werde. Stattdessen müssten die liberalen Muslime gestärkt werden. Von der wortwörtlichen Auslegung sollten sich die Muslime aber lösen. Der Koran müsse als historische Schrift verstanden werden. Sonst sei der Islam nicht überlebensfähig.
Die SPD-Politikerin sieht Probleme wegen einer zunehmenden Islamisierung der Türkei. "Da die Türkei im Moment sich politisch immer mehr islamisiert, haben wir natürlich auch mit den Auswirkungen hier in Deutschland zu kämpfen", sagte sie. Auch in der Bundesrepublik gebe es eine große konservative Gruppe von Türken, die sich mit der Politik des türkischen Präsidenten Erdogan identifiziere.
Muslime in der Gesellschaft annehmen
Rabeya Müller, die stellvertretende Vorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes (LIB), hält Prävention für wichtig. Mit dem Programm "Extrem out - gemeinsam gegen Salafismus" richtet sich der LIB an junge Muslime und entwickelt mit ihnen eine kritische Haltung zum Islam. Die Jugendlichen würden dort lernen, zwischen Traditionen und dem, was tatsächlich in Koran steht, zu unterscheiden, so Müller im domradio.de-Gespräch. Die Muslime müssten allerdings mit ihrer Religion auch in der Gesellschaft angenommen werden, sagte Müller.