domradio.de: Warum steht der Kampf gegen Menschenhandel bislang nicht in der breiten Öffentlichkeit?
Ludwig Schick (Erzbischof von Bamberg, Leiter Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz): Leider Gottes ist das Thema nicht genug in der Öffentlichkeit. Wenn es mehr in der Öffentlichkeit wäre, könnte vielleicht auch mehr gegen den Menschenhandel getan werden. Der Heilige Vater hat den Menschenhandel "eine offene Wunde am Körper der Menschheit unserer Zeit" genannt. Und es ist wirklich ganz schlimm, dass in unserer Zeit 35 Millionen Menschen - davon die meisten Frauen - als Ware gehandelt werden. Sie werden von Menschen als Ware hin und her geschoben. Das ist ein großer Skandal, dem ein Ende gemacht werden muss.
domradio.de: Jetzt sind es drei Schritte, die der Vatikan nennt. Schritt 1: Bewusstsein. Wie groß ist das Bewusstsein, dass Menschenhandel noch viel stärker bekämpft werden muss?
Schick: Das Bewusstsein ist nicht groß genug. Wir haben Menschenhandel im Bereich Arbeitssklaverei: Kinder, Jugendliche, Frauen und Männer werden für Zwangsarbeiten rekrutiert und dann missbraucht, ohne Lohn, ohne Arbeitsrechte.
Der zweite große Bereich ist die Prostitution. Frauen, Mädchen, aber auch junge Männer werden dafür missbraucht. Auch der Organhandel gehört zum Menschenhandel. Kindersoldaten gehören dazu. Wir müssen das in die Öffentlichkeit bringen, damit möglichst viele darum wissen, und alles tun, damit dem möglichst ein Ende gemacht wird.
domradio.de: Es gibt Schritt 2, das Gebet. Was versprechen Sie sich davon?
Schick: Gebet ist immer eine große Hilfe. Ich will auch jetzt noch einmal alle Gemeinden in Deutschland dazu aufrufen, dass am Sonntag eine Fürbitte eingelegt wird. Das Gebet hat auch die Kraft, dass den Menschen, die in den Menschenhandel verstrickt sind, bewusst wird, dass sie großes Unrecht tun. Und das Gebet kann den Opfern von Menschenhandel helfen, ihr Notlage durchzuhalten.
domradio.de: Besprechen wir noch den dritten Punkt zum Abschluss. Schritt 3: Solidarität und Aktion. Was kann die Kirche denn abseits vom Gebet tun?
Schick: Die Kirche tut schon vieles. Mit unseren Organisationen Caritas, Misereor, Adveniat, Missio und Renovabis sind wir in den Ländern tätig, wo Arbeits- und Sexsklaven rekrutiert werden. Wir haben dort eigene Büros mit Mitarbeitern, die in die Schulen gehen. Damit soll Jugendlichen Aufklärung zuteil werden, damit sie nicht in die Fänge von Menschenhändlern geraten. Wir tun viel und sind vor allen Dingen auch mit den Kirchen vor Ort im Gespräch, sodass der Menschenhandel verhindert wird.
Das Interview führte Christian Schlegel.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Weder domradio.de noch das Erzbistum Köln machen sich Äußerungen der Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen zu eigen.