Der schmale Mann räuspert sich, rückt die Brille zurecht und raschelt mit seinem Manuskript. Am kahlen Schädel des Angeklagten treten Adern hervor. Das Angebot des Richters, sein Schlusswort im Sitzen zu halten, lehnt Georg K. ab. Es ist, als wolle der ehemalige Pfarrer am vierten Prozesstag auch im Wortsinne endlich zu seinen Taten stehen. Und die wiegen schwer: Am Freitag ist er wegen 25-fachen sexuellen Missbrauchs an zwei Jungen vom Landgericht Krefeld zu sechs Jahren Haft verurteilt worden.
Es sind vier Minuten mit einer gewissen Theatralik, die sich in Sitzungssaal 167 abspielen. Zunächst hebt der 56-Jährige kurz den Blick in den gut gefüllten Raum. Mit immer fester werdender Stimme wiederholt der seit 2010 suspendierte katholische Priester den Wortlaut seiner Selbstanzeige, die er damals nach Bekanntwerden der Vorwürfe gestellt hatte. Die Anschuldigungen seien in vielen Punkten richtig, "ich bekenne mich dessen schuldig", zitiert er sich selbst. "Das habe ich vor fünf Jahren geschrieben, dazu stehe ich noch heute, deswegen stehe ich auch heute hier", fügt K. mit getragener Stimme hinzu.
Warum sich Georg K., dessen Fall für bundesweite Aufmerksamkeit sorgte, nicht schon früher in dem seit 9. Januar dauernden Prozess äußerte, hatte sein Verteidiger Wilhelm Helms bereits erklärt: K. habe dies auf sein Anraten gelassen, da er nicht mit den beiden heute 21 und 24 Jahre alten Geschädigten um Einzelheiten streiten wolle. Das hält ihm der Vorsitzende Richter Herbert Luczak sogar zugute.
Nicht die Kirche steht am Pranger
Letzlich liegt sein Urteil jedoch ein halbes Jahr über dem von Staatsanwältin Sabine Grüter geforderten Strafmaß. Mit K., der zwischen 2001 und 2007 zwei damals 11 bis 15 Jahre alten Brüdern sexuelle Gewalt angetan hat, ist fünf Jahre nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals der katholischen Kirche ein Geistlicher verurteilt worden. Richter Luczak hält in seiner Urteilsbegründung indes fest, dass K. sich junge Menschen "aus eigensüchtigen Motiven" als sexuelle Partner habe heranziehen wollen.
"Hier steht nicht Homosexualität am Pranger, hier steht auch nicht Kirche am Pranger, sondern die persönliche Schuld eines Menschen", hebt er hervor. Es sei ihm unbegreiflich, wie "ein gebildeter Mensch" so habe handeln können. Auch Verteidiger Helms macht in seinem Plädoyer deutlich, dass sexueller Missbrauch nicht typisch für die Kirche sei und K. ganz persönlich für die Taten verantwortlich sei.
Beim Strafmaß ist berücksichtigt, dass die Taten lange zurückliegen und K. nicht vorbestraft ist. Doch auch wenn bei den Geschädigten bislang keine erheblichen psychischen Schäden absehbar seien, so habe er ihnen doch einen bedeutenden Teil ihrer unbeschwerten Kindheit genommen, so Grüter. Nebenklage-Anwalt Martin Hoffmann verweist auf die massive Belastung auch für die Eltern, die als Zeugen ihre Not geschildert hatten.
Das Bistum Aachen äußert die Hoffnung, dass K. das Urteil akzeptieren und zum Wohle der Betroffenen nicht in Revision gehen möge. Sprecher Stefan Wieland spricht von Zweifeln an der echten Auseinandersetzung des Ex-Pfarrers mit seiner Schuld. Seine Einlassung im Schlusswort, er habe niemanden verletzen wollen, passe nicht recht. Sobald das Urteil rechtskräftig sei, werde die Diözese den Fall an die Glaubenskongregation geben, die über einen Ausschluss aus dem Klerikerstand entscheide.
Dass K. immer noch einen Bezug zu seinem Beruf hat, zeigt sein Auftritt vor Gericht: "Es bleibt mein Bedauern, mein Bitten um Verzeihung und mein Dank an alle, die nicht jeden Glauben an mich verloren haben", beendet er sein Schlusswort. Kommentar eines Zuschauers: "Fehlt nur noch das Amen."