Kommission berät künftig den Papst zum Thema Prävention

"Plage des sexuellen Missbrauchs in der Kirche ausrotten"

Die päpstliche Kinderschutzkommission drängt auf schärfere Konsequenzen für Bischöfe, die sexuellen Missbrauch in ihren Diözesen nicht hart genug ahnden. Das Gemium tagt noch bis Sonntag im Vatikan.

Bostons Kardinal Seán O’Malley / © Erzbistum Boston
Bostons Kardinal Seán O’Malley / © Erzbistum Boston

Seit Papst Johannes Paul II. im Jahr 2002 amerikanische Kardinäle zu einer Krisensitzung über die Missbrauchsskandale in den Vatikan einberief, hat sich der Umgang der Kirche mit sexuellen Übergriffen radikal verändert. Dass Johannes Pauls zweiter Nachfolger Franziskus weiterhin Nachholbedarf sieht, zeigt die Gründung einer Missbrauchskommission, die Maßnahmen zur Prävention auf den Prüfstein stellen und dem Papst Vorschläge für deren Verbesserung machen soll. Am Samstag und Sonntag berät sie sich auf ihrer ersten Vollversammlung.

"Wir werden hart arbeiten, damit die Kirche ein sicherer Ort für Kinder wird", versprach der Präsident der Kommission, der Bostoner Kardinal Sean Patrick O'Malley. Franziskus hatte zuvor die Bischofskonferenzen und Ordensoberen weltweit zur Zusammenarbeit mit dem Gremium angehalten. Offenbar hielt er eine solche Ermahnung von oberster Stelle in manchen Fällen für nötig. Tatsächlich seien nicht alle Bischöfe bislang der Aufforderung des Papstes gefolgt, sich mit Missbrauchsopfern zu treffen, gestand O'Malley ein.

Umgang der Kirche mit der Prävention professionalisieren

Die Einberufung der Missbrauchskommission war im vergangenen Jahr das erste konkrete Ergebnis der Beratungen über eine umfassende Reform der vatikanischen Kurie. Rund die Hälfte der 17 Mitglieder aus allen Kontinenten und so unterschiedlichen Fachbereichen wie Theologie, Kirchenrecht, Erziehungs-, Sozialwissenschaften und Psychiatrie sind Laien. Frauen sind in dem Gremium mit knapp fünfzig Prozent für vatikanische Verhältnisse ungewöhnlich stark vertreten. Anders als in anderen vatikanischen Gremien wird nicht Italienisch sondern Englisch gesprochen.

Für den Jesuiten Hans Zollner demonstriert die interdisziplinäre Zusammensetzung der Kommission den Wunsch, den Umgang der Kirche mit der Prävention von Missbrauch zu professionalisieren: "Ich glaube, dass wir einen guten Schritt weitergekommen sind, die Mentalität zu ändern", sagt Zollner, der dem Gremium als Leiter des Instituts für Psychologie der päpstlichen Gregoriana-Universität angehört.
An die über Jahrzehnte vorherrschende Mentalität, nach der gute Ruf der Kirche auch auf Kosten der Opfer geschützt wurde, erinnerte Papst Franziskus anlässlich der ersten Sitzung der Missbrauchskommission. In seinem Brief an die Bischöfe und Ordensoberen weltweit betonte er: "Es muss weiterhin alles getan werden, um die Plage des sexuellen Missbrauchs in der Kirche auszurotten." In kirchlichen Ämtern sei "absolut kein Platz für diejenigen, die Minderjährige missbrauchen".

Keine absolut zwingende Anzeigepflicht

Während die vatikanische Glaubenskongregation für die kirchenrechtliche Verfolgung der Täter zuständig ist, kommt der neuen Kommission eine rein beratende Funktion zu. "Wie die Umsetzung in den Vatikanbehörden erfolgt, muss noch geklärt werden", sagt Zollner, der zugleich Vize-Rektor der Gregoriana-Universität ist. Für den Jesuiten, der 2012 erstmals an einer päpstlichen Hochschule ein viel beachtetes Missbrauchssymposion mit Kirchen- und Opfervertretern veranstaltete, ist vor allem wichtig, "wie mit Bischöfen umzugehen ist, die den kirchenrechtlichen und den jeweiligen staatlichen Gesetzen nicht folgen". Denn noch gibt es keine klaren Regeln, was Bischöfen droht, wenn sie sich beim Thema Missbrauch nicht an für die katholische Kirche bindende Richtlinien halten. "Das muss Folgen haben", sagte O'Malley am Samstag im Vatikan. Die Kommission könne zwar keine konkreten Vorschläge machen, doch die Frage nach dem Umgang mit Bischöfen, die ihrer Pflicht nicht nachkämen, sei ein wichtiger Punkt.

In der Auseinandersetzung über die Frage, ob Missbrauchsfälle in jedem Fall den staatlichen Behörden gemeldet werden sollten, fordert Zollner, zuvor die Zustimmung der Opfer einzuholen. "Es sollte keine absolut zwingende Anzeigepflicht geben", sagt der Psychologe unter Hinweis auf die Belastungen für die Opfer, die die Vorwürfe vor Gericht beweisen müssen. "Das sagen auch manche Missbrauchsopfer und die Psychologen und Therapeuten", betont Zollner im Hinblick auf das Risiko, die Opfer durch die Verfahren erneut zu traumatisieren.

Das britische Missbrauchsopfer und Kommissionsmitglied Peter Saunders wünscht sich auch eine intensivere Debatte über die Motive von Missbrauchstätern. Das Etikett "pädophil" reiche zur Erklärung nicht aus. Seines Erachtens spielen der Zölibat und die Einsamkeit von Priestern eine Rolle. Saunders war als Jugendlicher von einem Priester seiner Schule missbraucht worden.

O'Malley widersprach allerdings der Vermutung, dass die vorgeschriebene Ehelosigkeit katholischer Pfarrer den Missbrauch begünstige. Die meisten Taten geschähen vielmehr in der Familie. Gleichwohl müsse die Kirche bei Priesteramtskandidaten genauer hinschauen. Nach den Worten des Kardinals haben bisher fast alle Bischofskonferenzen weltweit die von der Glaubenskongregation 2011 angeforderten ichtlinien zum Umgang mit Missbrauch entwickelt und an den Vatikan geschickt. Lediglich aus einigen Ländern mit sehr schwacher Infrastruktur stünden sie noch aus.

Kein Platz für Prügel

Außer mit dem sexuellen Missbrauch befasst sich die Kommission nach Angaben des Kardinals auch mit Strategien gegen die körperliche Misshandlung von Kindern. Dazu gebe es eine eigene Arbeitsgruppe. Saunders betonte, das Prügeln dürfe in der heutigen Erziehung keinen Platz mehr haben. Papst Franziskus hatte bei seiner Generalaudienz am Mittwoch Irritationen mit einer Äußerung über das Schlagen von Kindern ausgelöst. Sie legte nahe, dass der Papst eine Züchtigung in bestimmten Grenzen billige, nicht aber Schläge ins Gesicht. "Ich glaube, der Papst wusste, dass seine Worte falsch waren, und wollte damit eine Diskussion auslösen", meinte Saunders.

Zur Unterstützung der Prävention von Missbrauch ist das von Zollner gegründete Zentrum für den Schutz von Kindern von München nach Rom umgezogen. Dort wird er Mitte des Monats seinen Betrieb wiederaufnehmen.


Bostons Kardinal Seán O’Malley (KNA)
Bostons Kardinal Seán O’Malley / ( KNA )
Quelle:
epd , KNA