In Berlin findet der jüdische Jugendkongress statt

Deutsche Juden oder jüdische Deutsche?

Beim jüdischen Jugendkongress kommen junge Juden zwischen 18 und 35 Jahren zusammen, um zu beten, zu feiern und zu diskutieren, auch über Fragen des Extremismus. Wir haben mit Abraham Lehrer gesprochen, der den Kongress mitorganisiert.

Autor/in:
Das Interview führte Uta Vorbrodt
Wie sicher sind Juden in Deutschland? (dpa)
Wie sicher sind Juden in Deutschland? / ( dpa )

domradio.de: Ist das ein gutes Zeichen für die Beziehungen zwischen Deutschland und dem Judentum, dass es so viele jüdische Kulturveranstaltungen gibt?

Abraham Lehrer (Vorsitzender Zentralwohlfahrtsstelle der Juden): Ich glaube ja. Es zeigt deutlich, dass die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ein lebendiges Leben führt und vor allen Dingen ein Leben führt, das nicht in einem Ghetto stattfindet, sondern ganz öffentlich, wo auch die nichtjüdische Gesellschaft dran teilnehmen kann.

domradio.de: Das Thema Sicherheit für Menschen jüdischen Glaubens ist nach den Anschlägen in Paris und Kopenhagen besonders wichtig. Wie reagieren die Menschen auf solche Ereignisse?

Abraham Lehrer (Vorsitzender Zentralwohlfahrtsstelle der Juden): Sie sind in verstärkter Angst, die Unsicherheit ist sehr, sehr groß. Stellen Sie sich junge Eltern vor, die Kinder haben. Sie fragen sich: Wie soll es mit meinen Kindern hier in Deutschland weitergehen? Habe ich die richtige Entscheidung getroffen, ein Kind hier in dieser Umgebung großzuziehen? Natürlich ist die Sicherheit auch für unseren Kongress in Berlin ein ganz wesentliches Thema, aber wir haben gute Kontakte und eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Polizei und ich hoffe, dass die Schutzmaßnahmen soweit ausreichend sind, dass am Sonntag alle gesund und munter wieder nach Hause fahren.

domradio.de: Der Kongress war sehr schnell ausgebucht. Womit hängt das zusammen?

Abraham Lehrer (Vorsitzender Zentralwohlfahrtsstelle der Juden): Dieser Jugendkongress ist eine Mischung aus politischer Bildung, aus gesellschaftlichem Zusammenkommen und religiöser Ausübung, die am Schabbat, also am Samstag, bei uns stattfindet. Diese drei Komponenten führen dazu, dass es für junge Menschen in dieser Altersstufe sehr interessant ist, daran teilzunehmen. Wir haben den größten Kongress aller Zeiten, wir sind knapp bei über 400 Teilnehmern.

domradio.de: Welche Themen sind gerade für die jüdische Jugend aktuell?

Abraham Lehrer (Vorsitzender Zentralwohlfahrtsstelle der Juden): Es sind Themen der Selbstfindung, der Identitätsfrage, wie: Bin ich ein jüdischer Deutscher? Bin ich ein deutscher Jude? Was bedeutet für mich der Staat Israel? All diese Themen greifen wir in regelmäßigen Abständen auf und bieten den jungen Menschen Meinungen und Statements von Fachleuten aus Deutschland, Israel und den USA an.

domradio.de: Aktuell rät der Präsident des Zentralrates der Juden dazu, in Vierteln mit hohem Anteil muslimischer Einwohner keine Kippa zu tragen. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu fordert die Juden auf, nach Israel auszuwandern, der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland Schuster weist diesen Vorschlag zurück  und der Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigt, dass jüdisches Leben zu Deutschland gehört. Werden Sie da diese Gemengelage besprechen?

Abraham Lehrer (Vorsitzender Zentralwohlfahrtsstelle der Juden): Ich bin relativ sicher, dass die jungen Menschen diese Themen von sich aus anschneiden werden und es gibt einige Podiumsdiskussionen, wo wir versuchen werden, diesen Fragen Raum zu geben. Natürlich ist das Statement von Ministerpräsident Netanjahu aus seinem Selbstverständnis heraus berechtigt, doch genauso berechtigt ist, dass wir vom Zentralrat sagen: Es gibt im Moment keinen Grund, dieses Land zu verlassen. Die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland ist sichergestellt.


Quelle:
DR