Weihbischof Jaschke zu Gewalt im Namen der Religion

"Christen werden ermordet und verjagt"

Der Hamburger Weihbischof Jaschke sitzt für die katholische Kirche am bundesweiten "Runden Tisch der Religionen". Immer wieder Thema: Gewalt im Namen der Religion. Im Interview berichtet er über die Gespräche und die Forderungen der Kirche.

Weihbischof em. Hans-Jochen Jaschke (dpa)
Weihbischof em. Hans-Jochen Jaschke / ( dpa )

domradio.de: Gehört das Thema Gewalt in jeder der monotheistischen Religionen zur Vergangenheit mit dazu? Hat die Gewalt von Boko Haram und des Islamischen Staates etwas mit dem Islam zu tun?

Weihbischof Jaschke: Gewalt ist eine Anlage des Menschen. Der Mensch neigt dazu, Ausreden für Gewalt zu finden, sie zu ideologisieren, und das kann auch im Namen der Religionen geschehen. Wir Christen haben viel gelernt, wir haben eine lange Geschichte hinter uns mit dem Alten Testament, wo auch vieles an Gewalttätigkeit auftaucht. Jesus, der Gewaltlose, steht in der Mitte, aber auch unsere Christengeschichte ist nicht frei von Gewalt, bis heute hin. Die Muslime geben uns daher mit Recht zu bedenken, dass auch Christen eine Gewalttradition haben, und dass es auch im christlichen Abendland und in der westlichen Welt Ansätze zur Gewalt gibt. Das müssen wir ehrlicherweise betrachten.

domradio.de: Blicken wir auf die modernen Terrorgruppen wie Boko Haram in Nigeria und der Islamische Staat in Syrien und im Irak: Das hat ja nun eher etwas mit dem Islam zu tun.

Weihbischof Jaschke: Man muss im Dialog zwischen Christen und Muslimen dieses Thema immer wieder aufgreifen. Die muslimischen Vertreter sind da natürlich in einer Verteidigungshaltung. Sie distanzieren sich von Gewalt, sie betonen immer, dass diese Terrorgruppen auch sehr viele muslimische Opfer fordern. Wir müssen die Koransuren anschauen, die von Gewalt sprechen. Wir hören von den Islamvertretern, wie sie zu interpretieren seien, nämlich dass sie im Sinne Mohammeds eben nicht zu Gewalt aufrufen. Es gibt also Weiterentwicklungen in der Koranforschung, und das ist gut so. Wir müssen trotzdem sehr wachsam sein für den Schrecken, den Gewalttäter im Namen des Islam ausüben.

domradio.de: Christen sind von Gewalt betroffen - in unserer Zeit eher als Opfer denn als Täter. In muslimischen Ländern haben es Christen nicht leicht. Wie müssen wir damit umgehen?

Weihbischof Jaschke: Christen haben es nicht nur nicht leicht. Christen werden radikal ermordet, geschändet und verjagt aus Gebieten, in den sie lange vor den Muslimen friedlich gelebt und die Länder mitgestaltet haben. Das dürfen wir nicht verschweigen, das muss immer wieder zum Thema werden. Freilich sind auch Muslime betroffen, aber die Täter kommen eben doch aus der Welt des Islam, aus einer fehlgeleiteten Haltung natürlich. Es gibt auch historische Kontexte, manche Täter fühlen sich unter dem Druck der westlichen Welt und sagen, wir müssen uns wehren. Aber ich erwarte gerade von religiösen Führern auf allen Seiten immer wieder den lauten Protest gegen Gewalt. Da gelten keine Ausreden, mit denen man alles mögliche erklären möchte. Diese Terrorgruppen sind doch eine Schande für jeden kultivierten Menschen! Das muss uns alle, die gesamte humane Welt beschämen.

Das Interview führte Christian Schlegel.


Quelle:
DR