Es ist nur ein mikroskopisch kleiner Unterschied. Statt zweimal ist das 21. Chromosom ein drittes Mal im Ergbut vorhanden. Doch die Folgen einer Trisomie 21 oder des sogenannten Down-Syndroms für den Betroffenen sind schwer vorhersagbar - der eine lebt im Erwachsenenalter selbstständig mit einigen gesundheitlichen Einschränkungen, der andere braucht sein Leben lang bei jedem Handgriff Unterstützung.
Der Welt-Down-Syndrom-Tag am heutigen Samstag will vor allem auf die Stärken der mit diesem Gendefekt lebenden Menschen aufmerksam machen. In diesem Jahr besonders. Denn ein neuer Bluttest für Schwangere könnte Kassenleistung werden. Kritiker fürchten dadurch einen weiteren Anstieg an Frühabtreibungen bei Verdacht auf Trisomie 21.
"Bitter und tödlich für die Kinder"
Die Caritas des Erzbistums Köln warnt, wenn der Test eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen werde,werde sich die Anwendung noch rasanter ausbreiten. Bei Hinweisen des Tests auf Behinderungen des Kindes entschieden sich bislang neun von zehn Eltern für einen Schwangerschaftsabbruch. Wenn der Test zur solidarischen Gesundheitsleistung aufgewertet werde, sei das "bitter und tödlich für die Kinder", sagte Caritasdirektor Frank Johannes Hensel.
"Durch die Verbreitung des Tests sehen sich immer mehr Mütter und Väter vor die so berechenbar erscheinende Entscheidung für oder gegen ein behindertes Kind gestellt", beklagte Hensel. Nötig sei es, betroffene Eltern besser zu beraten und im Alltag konkret zu helfen, anstatt eine immer ausgefeiltere vorgeburtliche Selektion behinderter Kinder durchzuführen.
"Test vermittelt falschen Eindruck"
Der Augsburger katholische Weihbischof und Mitglied im Deutschen Ethikrat, Anton Losinger, warnte jüngst vor der Kassenzulassung. Dadurch erhöhe sich die Lebensgefahr für ungeborene Kinder mit genetischen Defekten, sagte Losinger der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Schon jetzt bedeute der Verdacht auf ein Down-Syndrom für 90 Prozent der Embryos den Tod. Es sei ein bizarrer Widerspruch, wenn die Gesellschaft einerseits massive Anstrengungen zur Inklusion Behinderter unternehme, andererseits aber behinderten Embryos das Lebensrecht abspreche, fügte Losinger hinzu.
Auch die Lebenshilfe und die Down-Syndrom-Fachverbände sehen den Test äußerst skeptisch und lehnen ihn als Reihenuntersuchung ab. Die Blutuntersuchung sei ethisch problematisch und gefährlich, sagte die Lebenshilfe-Bundesvorsitzende Ulla Schmidt diese Woche in Berlin. "Der Test vermittelt den Eindruck, es sei ein perfektes Kind möglich. Damit gefährdet er die Akzeptanz von Menschen in all ihrer Unterschiedlichkeit", so Schmidt. Die frühere Gesundheitsministerin hält den Test aber bei Risikoschwangerschaften für akzeptabel. Notwendig sei aber zugleich eine sehr gute Beratung, "damit junge Paare oder alleinstehende Frauen gut aufgeklärt werden, auch über Hilfsangebote für den Fall eines behinderten Kindes".
Kleine Anfrage im Bundestag
Gemeinsam mit Abgeordneten aller Fraktionen hat die SPD-Politikerin Schmidt nun am Freitag mit einer Kleinen Anfrage an die Bundesregierung das Thema am Freitag auch auf das politische Parkett gehoben. Die Abgeordneten möchten vor allem umfassend klären, welche Zahlen, Studien und ethischen Bedenken es gibt - vor einer möglichen Kassenzulassung.
Nach ihren Angaben ist es seit der Deutschen Einheit die erste interfraktionelle Kleine Anfrage, die von Abgeordneten alle Bundestagsfraktionen getragen wird. Zu den Unterzeichnern gehören neben Ulla Schmidt (SPD) die Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe (CDU), Corinna Rüffer (Grüne) und Kathrin Vogler (Linke).
Umstrittener Praena-Test weist Down-Syndrom früh nach
Der seit 2012 von der Konstanzer Biotech-Firma LifeCodexx vertriebene Praenatest ermöglicht es, mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ein Down-Syndrom beim Kind bereits ab der neunten Schwangerschaftswoche im mütterlichen Blut nachzuweisen. Auch andere, deutlich schwerere und seltenere Gendefekte können nach Angaben der Hersteller mit dem Test in wenigen Tagen nachgewiesen werden. Die Biotech-Firma empfiehlt die Untersuchung, wenn die Schwangere einer Risikogruppe angehört oder nach einem Ultraschall der Verdacht auf eine Behinderung besteht.
Befürworter argumentieren, das Verfahren erspare dem Ungeborenen und der Mutter riskante Untersuchungen wie eine Fruchtwasseranalyse. Falls der Test positiv ausfällt, empfiehlt der Hersteller zur Sicherheit zusätzlich eine Fruchtwasseranalyse. Aktuell übernehmen gut zwei Dutzend Kassen im Einzelfall die Test-Kosten von etwa 600 bis 900 Euro, je nachdem, auf wie viele Chromosomenstörungen untersucht wird.
Praena-Test bald Kassenleistung?
Das könnte sich ändern: Der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) hatte im April vergangenen Jahres entschieden, ein Beratungsverfahren für eine Erprobungsrichtlinie einzuleiten. Nach Informationen der Zeitung "Die Zeit" könnte noch in diesem Jahr der nächste Schritt, nämlich eine Erprobungsstudie zur Nützlichkeit der Methode beginnen. Verläuft diese positiv, müssten die Kassen den Praenatest etwa für Schwangere ab dem 35. Lebensjahr bezahlen.
Der G-BA bekräftigt indes, dass es bislang nur Beratungen über eine Erprobungsrichtlinie gegeben habe, nicht mehr. Es sei daher noch völlig offen, ob die Methode überhaupt erprobt werde, betonte eine Sprecherin auf Anfrage. Man stünde aber angesichts der ethischen Tragweite mit dem Deutschen Ethikrat in Kontakt.