Spitznamen hat er viele: Er war "der Dicke" und "der schwarze Riese", der "Bimbeskanzler" und "der Kanzler der Einheit", für manche gar der "Aussitzer" oder die "Birne". Am Karfreitag wird Altkanzler Helmut Kohl 85 Jahre alt.
Kaum ein Politiker nach Adenauer prägte Nachkriegsdeutschland so stark. Zwischen 1969 und 1976 war er rheinland-pfälzischer Ministerpräsident, dann ging er nach Bonn. Zunächst als Oppositionspolitiker. 1982 gelang es Kohl, die FDP aus der sozial-liberalen Koalition zu lösen und für ein schwarz-gelbes Bündnis zu gewinnen. Es folgten 16 Jahre seiner Kanzlerschaft.
Seine Partei führte Kohl noch länger. Bereits 1973 hatte er den Vorsitz übernommen und behielt ihn ein Vierteljahrhundert. Kürzer war die Zeit, die er den Ehrenvorsitz hatte. Im Streit um die Parteispendenaffäre kam es zum Zerwürfnis. Kohl wollte und will bis heute nicht sagen, wer ihm Geld gegeben hatte. Er begründet das mit einem persönlichen Ehrenwort, das er den Spendern gegeben habe.
Verfechter der Ökumene
Auch bei Gegnern unumstritten sind zwei historische Entwicklungen, an denen Kohl großen Anteil hatte: Er engagierte sich für das Zusammenwachsen Europas und gestaltete den Prozess der deutschen Wiedervereinigung mit.
Seine Herkunft aus einer streng katholischen Familie verleugnete Kohl nie. Er hielt den Draht zu Bischöfen und Kardinälen, wenn auch die Zahl der gerne kolportierten gemeinsamen Waldspaziergänge mit dem damaligen Bischofskonferenzvorsitzenden Karl Lehmann häufig übertrieben wird. Der damalige Leiter des Katholischen Büros, Paul Bocklet, saß bei Auslandsreisen nicht selten im Regierungsflieger.
Trotz aller persönlichen Überzeugung - Kohls Verhältnis zu den Kirchen war nicht nur selbstlos. Der bislang letzte katholische Kanzler wusste, welche Klientel ihn ins Kanzleramt gewählt hatte. In seinem Regierungshandeln vermied er es indes, "seine" Kirche zu bevorzugen. Manche im katholischen Lager äußerten sich deshalb hinter vorgehaltener Hand enttäuscht. Innerkirchlich kann Kohl als fortschrittlich beschrieben werden. So ist der regelmäßige Kirchgänger, vielleicht nicht zuletzt durch seine Ehe mit der Protestantin Hannelore Kohl, ein überzeugter Verfechter der Ökumene.
Einsatz für Religiöses
Wenn ihm etwas nicht passte, bezog er nicht nur in seiner Partei oder vor Journalisten, sondern auch innerkatholisch Position. Es war bekannt, dass zwischen ihm und dem Kölner Kardinal Joachim Meisner Welten lagen. Und als 1995 der Vatikan den von Kohl geschätzten damaligen Nuntius Lajos Kada abberief, ging der Kanzler persönlich zu dessen Verabschiedung und mokierte sich über die römische Personalpolitik. Auch bei der katholischen Kirche wusste Kohl immer, was für sie gut war. Er vertrat die Anliegen der Kirche - wie er sie verstand.
Unbestritten ist Kohls Engagement für Religiöses. Er setzte sich, öffentlich fast unbeachtet, für die Berliner Guardini-Professur für Religionsphilosophie und Katholische Weltanschauung ein, trug dazu bei, dass die Sternsingeraktion heute ein großes Hilfswerk ist, und er engagierte sich für den Neubau der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg. Ab einem gewissen Spendenbetrag bedankte sich Kohl postalisch bei jedem einzelnen.
Kaiserdom zu Speyer für Kohl ein Symbol der Einheit Europas
Kohls liebstes Ehrenamt ist sicher das des Chefs der "Europäischen Stiftung Kaiserdom zu Speyer". Schon als Kanzler hatte der Pfälzer Jacques Chirac, Margaret Thatcher, Michail Gorbatschow, George Bush, Vaclav Havel, Boris Jelzin, John Major, König Juan Carlos und viele andere durch das romanische Gotteshaus geführt. Für ihn ist der Dom ein Symbol für die Einheit Europas. Und so sammelte er einen Kreis von Unterstützern, die sich mit ihm seit Jahren für den Kaiserdom stark machen.
In den vergangenen Jahren machte Kohl vor allem durch Privates von sich reden. Neben dem Streit mit seinem Ghostwriter sorgten familiäre Streitereien für Schlagzeilen. Äußerungen der Söhne Walter und Peter Kohl lassen den Schluss zu, dass die sommerlichen Inszenierungen einer Ferienidylle nicht ganz zur Wirklichkeit gepasst haben. 2008 verletzte sich Kohl schwer. Inzwischen ist der Altkanzler auf einen Rollstuhl und die Hilfe seiner zweiten Ehefrau Maike Richter-Kohl angewiesen.