domradio.de: Der deutsche Lyriker Ernst Hauschka hat einmal gesagt "Der Karfreitag geht zu Ende, Ostern dauert an." - Ist das treffend auf den Punkt gebracht?
Weihbischof Ansgar Puff: Vielleicht nicht ganz so schnell. Nach dem Karfreitag kommt erst einmal der Karsamstag und noch nicht direkt Ostern. Der Karsamstag ist der Tag, wo Gott - man kann den Gedanken kaum fassen - tot ist. Ich habe mir mal überlegt, ob man nicht am Ende des Karfreitagsgottesdienstes den Leuten sagen müsste: Geht nach Hause, Gott ist tot.
domradio.de: Warum machen Sie es nicht?
Weihbischof Puff: Traue ich mich nicht. (lacht)
domradio.de: Warum nicht?
Weihbischof Puff: Es ist vielleicht zu schockend. Man braucht als Mensch am Ende eine Perspektive. Ich weiß nicht, ob man das dann auffangen könnte. Aber der Gedanke bewegt mich schon. Kann man das überhaupt denken? Ist das auch theologisch richtig? Gut, Christus stirbt am Kreuz, Christus ist Sohn Gottes, er ist eine der göttlichen Personen. Ist Gott tot? Kann man denken, dass es einen Moment geben würde, wo Gott gestorben ist? Was würde das bedeuten, wenn ich mir auf einmal wirklich klar mache: Gott ist gestorben?
domradio.de: Haben Sie sich mal für sich selbst überlegt, was Sie fühlen würden bei diesem Gedanken?
Weihbischof Puff: Das ist der absolute Horror. Irgendwie würde dann die Welt aufhören, sich zu drehen. Der Karsamstag ist dieser Tag des Schweigens Gottes. Es gibt ja viele Menschen, die sagen, ich kann nicht an Gott glauben. Also die im guten Sinne atheistisch sind und der Samstag ist dieser Tag der Gottlosigkeit, es ist eigentlich der Feiertag für Atheisten: Gott liegt im Grab.
domradio.de: Das heißt, Karsamstag ist nicht nur ein Warten auf die Osternacht, sondern ein Tag mit einer ganz eigenen Färbung?
Weihbischof Puff: Karsamstag hat eine ganz eigene Färbung, also einmal diesen Gedanken "Der Tod Gottes", aber es hat auch noch einen anderen Gedanken, nämlich die sogenannte "Höllenfahrt Christi". Die Kirchenväter sagen ja, dass Christus an diesem Tag hinabgestiegen sei in die Unterwelt, um den Menschen da heraus zu holen. Das ist ein sehr schönes Motiv, wo man sieht, wie Christus auf den östlichen Ikonen hinabsteigt in die Unterwelt. Man sieht dann immer, dass er den Menschen, Adam, bei der Hand fasst - interessanterweise fasst er ihn am Handgelenk so, dass Adam gar nicht festhalten braucht und er zieht ihn aus diesem Loch heraus. Auf den Ikonen sieht man dann immer, die Türe der Unterwelt ist vom Herrn eingetreten worden.
domradio.de: Ab wann setzt sich denn bei Ihnen am Karsamstag die Erwartung der Osternacht ein, ab wann steigt die Vorfreude?
Weihbischof Puff: Kurz vor Beginn der Osternachtsfeier, manchmal aber auch schon bei den praktischen Vorbereitungen. Wenn man die Kirche oder das anschließende Fest, die Agape, vorbereitet und in meiner Gemeinschaft, ich gehöre ja zum neokatechumenalen Weg, treffen wir uns immer am Karsamstagmittag und lesen die Texte für die Osternacht, also die acht Lesungen und das Evangelium, damit man sich ein bisschen innerlich vorbereiten kann. Danach fängt dann meistens schon die Vorfreude an.
Das Interview führte Matthias Friebe.