Angekündigt hatte er dies bereits überraschend während eines Bußgottesdienstes am 13. März. Am 8. Dezember soll das sogenannte Jubiläum der Barmherzigkeit beginnen und am 20. November 2016 enden. In diesen knapp zwölf Monaten soll nach dem Willen des Papstes die theologische DNA seines Pontifikats im Mittelpunkt stehen: Barmherzigkeit.
Es ist kein Zufall, dass das Jahr ausgerechnet am 8. Dezember, genau 50 Jahre nach dem Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965) beginnt. Das Heilige Jahr sei auch eine "Einladung, das mit dem Konzil begonnene Werk fortzusetzen", teilte der Vatikan mit. Der Papst wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass wichtige Anliegen dieser Bischofsversammlung noch nicht verwirklicht seien. Andererseits ist seit seinem Amtsantritt oft zu hören, nun erst würden viele Reformansätze des Zweiten Vatikanischen Konzils wirklich aufgegriffen.
Heiliges Jahr lebt von den einfachen Gläubigen
Ein Heiliges Jahr ist eine Massenveranstaltung. Es lebt von der Mobilisierungskraft der kirchlichen Bewegungen und Vereine, vor allem aber von der Volksfrömmigkeit. Angesprochen sind die einfachen Gläubigen, jene also, unter denen der Papst offensichtlich den stärksten Rückhalt hat. Ob es Franziskus allerdings gelingt, an den Erfolg des Heiligen Jahrs 2000 mit 25 Millionen Besuchern anzuknüpfen, bleibt abzuwarten. Katholiken sind im Heiligen Jahr mehr als sonst aufgerufen, nach Rom zu pilgern und in den dortigen Hauptkirchen Gottesdienst zu feiern und zu beten.
Dem Papst schwebt womöglich vor, die bislang eher akademische Debatte über das Zweite Vatikanische Konzil auf diese Weise zu erden und von der Studierstube in die Pfarrsäle zu holen. Vielleicht, so spekulieren Beobachter, will er ja die Massen mobilisieren, um in Rom Rückenwind für seinen Reformkurs im Zeichen der Barmherzigkeit zu bekommen.
Die Debatte über das Zweite Vatikanische Konzil hatte sich unter Benedikt XVI. vor allem auf die Frage konzentriert, ob das Konzil mehr als Bruch mit der kirchlichen Tradition oder in Kontinuität zu ihr gesehen werden muss. Für Franziskus sind offenbar andere Punkte wichtiger. Auffallend oft spricht er etwa ausdrücklich oder sinngemäß vom "Glaubenssinn" der einfachen Katholiken, davon, dass sie manchmal besser verstehen, worum es eigentlich in der christlichen Botschaft geht, als Bischöfe, Priester und Theologen.
Verlesung der Bulle und Öffnung der Heiligen Pforte
Ein Heiliges Jahr lebt nicht zuletzt von seinen Ritualen, wie etwa der feierlichen Verlesung der Bulle am Samstag. Das bekannteste ist die Öffnung der sogenannten Heiligen Pforte des Petersdoms zu Beginn. Zuletzt ging Johannes Paul II. allerdings nicht mehr mit dem Hammer zu Werke, um die Mauer vor dem Bronzetor aufzubrechen, wie das zuvor üblich war. Seinem Vorgänger Paul VI. wären 1974 beinahe einige Ziegel auf den Kopf gefallen.
Wie das Programm des bevorstehenden Jahres konkret aussehen wird, bleibt einstweilen noch offen. Im Jahr 2000 empfing Johannes Paul II. nahezu jeden Sonntag eine andere Gruppe von Gläubigen: mal katholische Landwirte, mal katholische Polizisten und mal katholische Parlamentarier.
Als erstes Heiliges Jahr in der katholischen Kirche gilt das Jahr 1300. Damals gewährte Papst Bonifaz VIII. angesichts verbreiteter Endzeitstimmung erstmals einen besonderen vollständigen Ablass für Rom-Pilger. Dieser sollte zunächst alle 100 Jahre wiederholt werden. Seit 1470 wird es alle 25 Jahre begangen. Eigentlich wäre das nächste Heilige Jahr erst 2025 gewesen. Das bevorstehende Heilige Jahr ist das dritte außerordentliche seit ihrer Einführung.
Ein konkretes Programm für den Ablauf gibt es bislang nicht. Offenbar haben auch die Organisatoren erst kurzfristig von Franziskus' Entscheidung erfahren. "Der Papst hat uns alle überrascht", sagte der zuständige Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung, Erzbischof Rino Fisichella. Die Planungen laufen auf Hochtouren.