Dass der vor 70 Jahren ermordete Theologe nicht auf die Parolen der Hitlerpartei hereingefallen ist, zeige seine tiefe Verwurzelung im christlichen Glauben, sagte Gerhard Ludwig Kardinal Müller im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der evangelische Pfarrer Bonhoeffer war am 9. April 1945 mit 39 Jahren im Konzentrationslager Flossenbürg ermordet worden.
Bonhoeffer sei bewusst den Schritt der Solidarität mit Deutschland und den vielen Deutschen gegangen, die unter der furchtbaren Herrschaft der Nationalsozialisten gelitten hätten, sagte Müller, der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation ist. "Und es ist beeindruckend, dass er auch bereit war, für die Juden einzustehen von Anfang der Verfolgung an." Der Kurienkardinal hob hervor, dass Bonhoeffers Handeln von der Einheit von Geist und Leben, von Wort und Tat geprägt sei. Dessen Lebensweg zeige, dass man aus den richtigen Analysen praktische Konsequenzen ziehen müsse. "Das kann man gut von ihm lernen, das ist das Beeindruckende und Faszinierende an seiner Persönlichkeit und seinem Weg", sagte Müller.
Grundentscheidung, Christ sein zu wollen
Zur Pionierarbeit Bonhoeffers gehört es Müller zufolge, Vorurteile überwinden zu wollen und sich ein Urteil von der Realität her zu bilden. Gerade im Widerstand gegenüber dem menschenverachtenden System und antichristlichen Menschenbild hätten sich Protestanten und Katholiken in einer Situation des gemeinsamen Bekenntnisses und Martyriums befunden. "Während eine Gott und den Menschen verachtende Ideologie das Christentum zu zerstören drohte, entstand ein neues Bewusstsein für das gemeinsame Fundament, das alle Christen verbindet. Es bildet die Quelle und die Wurzel, aus der heraus sich das Wachstum des Glaubens und die wahre Einheit in Christus vollzieht. Nur so kann die Ökumene vorankommen", ergänzte der Kardinal.
Die innere Stimmigkeit und Geradlinigkeit in Bonhoeffers Biografie beruhe auf der Grundentscheidung, "Christ sein zu wollen, sich von Christus her zu definieren und auch die große spirituelle Tradition sich zu eigen zu machen", sagte der Kurienkardinal. Für die heutige Ökumene sei es wichtig, sich in die Quellen der Spiritualität der anderen Seite hineinzudenken. "Dann kann man vielleicht wechselseitig etwas voneinander lernen", ergänzte der Glaubenspräfekt.
Müller wurde 1977 bei Karl Lehmann mit einer Dissertation über das Thema "Kirche und Sakramente im religionslosen Christentum. Bonhoeffers Beitrag zu einer ökumenischen Sakramententheologie" promoviert. Zusammen mit dem Bonhoeffer Biografen Eberhard Bethge und Altbischof Albrecht Schönherr ist Müller Herausgeber des Bandes "Gemeinsames Leben/Das Gebetbuch der Bibel" der Dietrich Bonhoeffer Werkausgabe. In der Reihe Zeugen des Glaubens legte Müller 2010 das Bändchen "Dietrich Bonhoeffer begegnen" vor.